Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
eines Tages mit einer geladenen, entsicherten Waffe auf Mommas Kopf zielte, den Finger am Abzug. Er glaubte, er hätte uns genug Geld für den Rest unseres Lebens hinterlassen. Er glaubte, er hätte für seine Familie gesorgt, wie ein Mann es tun sollte.
Ich schaute auf den neuen weißen Gartenzaun.
Vergebung war durchaus eine Möglichkeit.
Wir fanden alle, dass die Bäckerei dringend renoviert werden musste, aber wir hatten keine Zeit dazu gehabt.
Auftritt Dad.
Nach Ladenschluss strichen wir die Wände buttergelb, schrubbten und wienerten die schwarz-weißen Böden, leerten und säuberten die Ausstellungsvitrinen. Wir hängten gelb geblümte Vorhänge auf und kauften neue Tischdecken. Wir räumten hinten um und wuschen die Vorratskammer und die Schränke aus.
Wir kauften neue rote Markisen für die Vorderfront, und Dad ließ BOMMARITOS BÄCKEREI in Goldbuchstaben auf das Schaufenster malen. Er arbeitete unermüdlich und mit großer Freude, wie es mir vorkam. Er bestand darauf, die Renovierungskosten zu übernehmen.
»Ein kleines Geschenk für die Bommarito-Familie«, sagte er ruhig. »Nur ein kleines Geschenk.«
Als wir eines Tages von den Kunden überrollt wurden, baten wir ihn um Hilfe, gaben ihm eine Schürze, und er machte sich an die Arbeit. Auf unsere Bitte kam er am nächsten Tag wieder, am Tag darauf ebenfalls. Ich weinte in meine Rührschüssel, als ich sah, wie mein Dad seine alten Rezeptbücher aufschlug und die Kuchen backte, die wir als Kind gebacken hatten, er sah glücklich aus.
Manchmal ertappte ich ihn dabei, wie er mich, Cecilia, Janie, Henry oder Cecilias Töchter ansah, und war verblüfft über seinen Gesichtsausdruck: Dankbarkeit. Glück, Verwunderung.
Und, das wichtigste aller Gefühle, Liebe.
Ich sah es.
Ich fühlte es.
Ich fühlte diese Liebe.
Mir hatte diese Liebe mehr gefehlt, als ich mir vorstellen konnte.
Wenn Bao und Dad Pause machten, spielten sie Schach.
Ich konnte nicht hören, worüber sie sprachen, aber eines Tages sah ich, wie sich Bao mit der Handkante über die Kehle fuhr, und wusste, dass er meinem Dad erzählte, was mit seinem Hals passiert war.
An einem anderen Tag sah ich, wie mein Dad eine Hackbewegung mit der Handkante machte und wusste, dass er Bao erzählte, was mit seinen Fingern passiert war.
Und einmal hörte ich Bao zu meinem Dad sagen: »Ich wünsche dir Frieden, Carl. Das ist es, was du brauchst. Das ist es, was ich brauche. Frieden.«
Mein Dad nickt.
Bao zog mit seinem Springer.
Dad zog mit seinem Läufer.
»Frieden für uns, Frieden für sie«, sagte mein Dad. »Schach und Matt.«
»Cecilias Töchter sind genau wie wir«, sagte Janie und spülte eine Schüssel nach der Superscharfen-Chili-Nacht aus. Jede von uns Schwestern kochte ein anderes Chili, jede nach ihrem eigenen Geheimrezept. Alle waren scharf genug, einem die Tränen in die Augen zu treiben.
Cecilia gewann den Preis für das schärfste und beste. Kein Wunder. Es blies mir fast die Haare vom Kopf.
»Hoffentlich haben sie später mal nicht so viele Schrauben locker«, sinnierte ich, während ich aus dem Fenster zu Kayla und Riley schaute, die unter der Weide saßen.
»Und weniger Wut«, sagte Cecilia gereizt. »Das wünsche ich ihnen. Weniger Wut.« Sie ließ ein Glas fallen, und die Splitter platzten über die Arbeitsplatte. »Verdammt. Das macht mich wütend.«
»Ich glaube, Verlust macht Menschen wütend«, sagte Janie. »Und Angst. Durch diese psycho-emotionale Erschütterung geraten wir aus dem universellen Gleichgewicht. Dafür habe ich meine Heilkräuter.«
»Kräuter-fläuter.« Cecilia blies sich Haare aus den Augen.
»Kräuter helfen dir, dich zu konzentrieren und deine Sanftmut und Liebenswürdigkeit zu erkennen, damit dein Körper und dein Geist in Harmonie sind.« Janie schüttelte ihr rotes Haar aus. Es wurde allmählich richtig lang.
»Dann bring mal das in Harmonie, Janie: Ich bin eine fette, wütende Mom, die all deine Kräuter zu Asche verbrennen wird, wenn du nicht mit diesem New-Wave-Kräuterscheiß aufhörst.«
Auftritt der Friedensstifterin. Mal wieder. »Ich weiß noch, wann du angefangen hast, die ganze Zeit wütend zu sein, Cecilia.«
»Wann denn? Verdammt!« Sie saugte an ihrem Finger, sie hatte sich an einem Glassplitter geschnitten.
»Als Dad fortgegangen ist.«
»Ach, nee. Ich wusste ja gar nicht, dass du so helle bist, Isabelle!« Sie schlug sich mit den Händen an den Kopf. »An dir ist ein Genie verlorengegangen!«
»Du hast deine Wut
Weitere Kostenlose Bücher