Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
»Keine Ahnung.« Ich wollte auch gar nicht darüber nachdenken.
Aber da wir so aufeinander eingestellt waren – würde ich ebenfalls sterben, wenn Cecilia starb? Oder umgekehrt? Wahrscheinlich nicht. Doch es wäre kein gutes Gefühl. »Na gut, Cecilia, lass uns einen Pakt schließen. Wenn du oder ich todkrank werden und unser Hirn verbrutzelt, unsere Körper verfaulen oder wir unerträgliche Schmerzen leiden und der andere Zwilling dasselbe fühlt, muss der kranke Zwilling eine .45er rausholen und der Sache ein Ende machen.«
»Lasst doch dieses unerfreuliche Sterbethema mit seiner negativen Aura!«, sagte Janie. »Ab jetzt nur noch fröhliche, seelenerwärmende Themen!«
Cecilia wischte ihre Hand an dem Küchentuch ab und ließ es noch mal schnalzen. Sie streckte die Hand aus, und ich schüttelte sie. »Abgemacht.«
Wir wussten beide, dass wir es vollkommen ernst meinten.
24. Kapitel
Mittwochabend in der Kirche sang ich wieder auf der Bühne für die Jugendlichen.
Pater Mike hüpfte in der vorderen Reihe mit, lächelte, tanzte. Sein Tanzen ähnelte dem einer Marionette oder einer Biegepuppe. Die Kids waren begeistert.
»Isabelle«, sagte Pater Mike zu mir, als die Meute zum Unterricht verschwunden war, »ich muss dir noch mal sagen, wie gut es ist, dich wieder in der Kirche zu haben, Mädchen. Es ist so gut!«
Ich zuckte zusammen. So richtig war ich nicht wieder in der Kirche. Am Sonntagmorgen schlief ich sogar meistens aus, total erledigt von der Woche. »Na ja, Pater Mike, ich hatte schon vor, zur Messe zu kommen, wirklich.« Ich hielt inne. Einen Priester sollte man nie belügen. Das ist keine gute Idee. »Na ja, ich hab darüber nachgedacht, zur Messe zu gehen.« Scheibenkleister. »Ich werde vielleicht irgendwann in der Zukunft zur Messe kommen.«
»Braves Mädchen«, sagte er zu mir, die Faust triumphierend erhoben. »Wir können uns glücklich schätzen, dich zu haben, und ich weiß, dass die Engel im Himmel deine Stimme sehr schätzen.«
»Die Engel können meine kratzige Stimme nur schätzen, wenn sie halb taub sind und das Geräusch von zerbrechendem Glas mögen.«
Pater Mike lachte, klopfte dann auf die Bank, und ich setzte mich neben ihn.
Eine ganze Weile blickten wir nur auf das Kreuz über dem Altar.
»Was bedrückt dein Herz, Isabelle?«
Die vertraute Frage, mit der ich aufgewachsen war, öffnete alle Schleusen. Genauso brachte Pater Mike all seine Gemeindemitglieder zum Reden. »Was bedrückt dein Herz?«
Ich begann langsam, dann sprudelten die Worte immer schneller aus mir heraus, und ich hielt mir den Kopf, hickste unter Tränen. »Ich glaube, dass ich nicht gut genug bin für Gott.«
»Liebste Isabelle! Wir alle sind gut genug für Gott. Jeder von uns. Er hat uns gemacht, hat uns erschaffen. Er hat einen Plan für uns. Und du, Isabelle, bist ein Geschenk für jeden, der dich kennt. Ein Geschenk Gottes.«
»Das Gottesgeschenk hat zu viel gesündigt, Pater Mike. Ich habe meine Mutter gehasst. Ich bin von meiner Familie fortgelaufen …«
»Deine Familie, deine Mutter sind kompliziert, die Beziehungen sind oft schwierig und durch die Umstände noch schwieriger geworden. Gott hat dir diese Familie gegeben, damit du das Gelernte anwenden und anderen helfen kannst.«
»Ich glaube, ich habe alle Gebote gebrochen, bis auf das Gebot, niemanden umzubringen.«
»Und jenseits dieser gebrochenen Gebote wirst du Gottes Gnade und Barmherzigkeit finden.«
»Ich habe Gott im Stich gelassen.«
»Er hat dich niemals im Stich gelassen, Isabelle Bommarito. Nie. Nicht für eine Minute.«
»Ich habe mich von der Kirche abgewandt.«
»Er ist bei dir geblieben.«
»Ich habe eine Million Mal gesündigt.«
»Und jenseits dieser Sünden hast du Gottes Liebe. Die hattest du immer. Seine Liebe ist unendlich. Sie ist ewig.«
Als wir fertig waren, wurde es Mitternacht.
»Du bist ein Kind Gottes, liebe Isabelle. Lass dir nicht von Erinnerungen daran, wie du einmal warst , von vergangenem Bedauern und Schuldgefühlen auch nur eine Minute deiner Gegenwart und Zukunft verderben. Das ist vorbei. Setz dein Leben mit der Gewissheit fort, dass dir vergeben wurde. Geh mit Gott, Isabelle. Er hat dir viele, viele Male die Hand hingestreckt. Du brauchst sie nur zu ergreifen.«
Ich streckte Pater Mike die Hand hin. Er nahm sie in die seine.
So saßen wir lange Zeit vor dem Kreuz.
»Wir lassen ihn nicht einfach so wieder in unser Leben, verdammt nochmal«, tobte Cecilia. »Kommt nicht infrage. Er glaubt, er
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