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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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mit beiden Fäusten auf den Tisch. »Was gedenken Sie zu tun, Dr. Remmer? Wie werden Sie meinem Bruder helfen?«
    Die Ärztin war an solche Reaktionen gewöhnt. »Wir können es mit Chemotherapie versuchen …«
    Cecilia unterbrach sie. »Das ist ja wohl selbstverständlich. Jetzt rufen Sie die Krankenschwester oder einen anderen Arzt, und weisen Sie ihn an, sofort alles bereitzustellen. Wenn sich der Krebs so schnell ausbreitet, müssen wir ihn aufhalten. Warum rufen Sie niemanden?« Wieder schlug sie mit den Fäusten auf den Tisch. Ihr Kopf wackelte. »Warum rufen Sie niemanden? Warum tun Sie nicht etwas? «
    »Cecilia«, sagte ich. Mein Herz fühlte sich an, als würden Schrauben hineingebohrt.
    »Cecilia«, sagte Janie. Klopf, klopf, klopf.
    »Hört auf, mich zu bevormunden!«, schrie sie und trat ihren Stuhl gegen die Wand. »Hört auf damit! Sagt mir nicht, dass ich mich beruhigen soll. Ich werde mich nicht beruhigen, bis wir Hilfe für Henry bekommen. Helft ihm! Helft ihm! «
    »Liebling«, sagte Dad, stand auf und legte ihr die Hand auf den Rücken.
    »Nenn mich nicht Liebling!« Sie schüttelte seine Hand ab. »Ich will eine zweite Meinung. Wer weiß, ob Sie überhaupt wissen, was Sie tun …« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Wer weiß, ob Sie überhaupt wissen, was Sie tun …« Sie knickte in der Taille ein, als hätte ihr jemand in den Magen geschlagen. »Ich glaube, Sie irren sich. Sie müssen sich irren. «
    Dad legte den Arm um sie, drängte sie, sich zu setzen.
    »Das kann nicht stimmen«, schrie Cecilia fast und riss sich von Dad los. »Das sind die falschen Aufnahmen. Henry ist nicht krank. Er ist neulich noch mit Grandma draußen rumgerannt. Sie waren Flugzeuge. Er hat Mittwochabend in der Kirche bei der Kuchenausgabe geholfen. Wir haben in der Bäckerei Riesenwalkekse gebacken, weil wir die Geschichte von Jona und dem Wal durchgenommen haben. Ich sag’s Ihnen doch!«, schrie sie. »Er ist nicht krank!«
    Der Ärztin kamen die Tränen. »Es tut mir aufrichtig leid.«
    »Es tut Ihnen nicht leid genug! Nicht leid genug!« Cecilias Stimme verklang zu einem Wimmern. Sie versuchte nicht mal, auf einem Stuhl zu landen. Sie sank zusammen, die Stirn auf dem Boden, weinte und schluchzte.
    Ich packte sie, wiegte sie, ihr Kopf hörte nicht auf zu wackeln. »Er ist nicht krank! Er ist nicht krank!«
    Janie stand auf, wollte mir helfen, und ich sah undeutlich, wie sie schwankte. »Dad! Fang Janie auf«, rief ich.
    Die Ärztin und Dad waren gleichzeitig da, als Janie einfach nach hinten kippte.
    Cecilia gab tiefe, kehlige Geräusche von sich.
    Bodenlose Zerstörung. Ich spürte sie. Ich spürte diese Zerstörung.
    Ich dachte an Henry in seinem Krankenbett, an sein liebes Gesicht, seine Freundlichkeit, der einzige geistig Gesunde der Bommarito-Familie.
    Die Tränen kamen wie eine Woge, eine wütende, schäumende, hasserfüllte Woge.
    Cecilia sagte: »Sie irrt sich! Sie irrt sich! Unser Henry ist nicht krank! Er ist nicht krank! Er hat neulich noch Hunde gestreichelt!«
    Aber die Ärztin irrte sich nicht.
    Unser Henry war nicht nur krank.
    Unser Henry lag im Sterben.

    »Geh und hol Momma«, flüsterte Janie mir am nächsten Tag mit schwacher Stimme zu. »Hol Momma.«
    Sie lag auf einer Liege neben dem Krankenbett, in dem Cecilia ruhte. Die Ärzte machten sich Sorgen um ihr Herz.
    Das hatte mich nicht überrascht. Mein Herz setzt immer mal wieder aus, und ich wusste, dass es von Cecilia kam. Ich hatte einen Arzt gebeten, nach Cecilia zu sehen. Er hatte es getan, gegen ihren Wunsch, und sie wurde Sekunden später auf einer Trage rausgerollt. Im Moment schlief sie, aber ihr Schlaf war unruhig, ihre Brust hob und senkte sich krampfhaft, ihr ganzer Körper zitterte.
    Janie war zweimal ohnmächtig geworden und immer noch leichenblass. Dad saß neben Cecilia und hielt ihre Hand.
    »Ich hole Momma«, sagte ich. Mir graute davor, wie mir noch nie vor etwas gegraut hatte.
    »Ich komme mit«, sagte Dad.
    »Nein, ich fahre allein. Das wäre ein zu großer Schock für Momma.«
    Dad hob das Kinn. »Für deine Mutter wird es ein Schock sein, mich zu sehen, daran gibt es keinen Zweifel, Schätzchen. Doch ich war seit fast drei Jahrzehnten nicht für deine Mutter da. Ich werde für sie da sein, wenn sie das hier erfährt.«
    »Aber Dad«, sagte ich, »du hast sie verlassen, hast uns verlassen. Sie könnte immer noch zornig auf dich sein. Verletzt, wütend. Für sie gibt es nur Vollgas. Vergebung ist nicht ihre Stärke.

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