Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
ansprechen und über nichts reden sollte, das wir als Kinder gemacht hatten. Niemals. Würde sie nur verwirren.
Momma gab uns auch Anweisungen für Bommaritos Bäckerei, in der wir während unserer Highschoolzeit jeden Tag stundenlang gearbeitet hatten. Obwohl Grandma damals protestiert hatte, wir würden uns »den Buckel krumm schuften«.
Momma hatte die Bestellungen entgegengenommen, und wir hatten nach dem Rezeptbuch unseres Vaters Kekse, Kuchen, Brote gebacken – was auch immer. Bis zum Erbrechen.
»Die Bäckerei ist ein blühendes Geschäft. Erfolgreich«, stand in Mommas Schreiben. »Macht es mir nicht kaputt. Ich habe liebe, treue Kunden. Und ich hoffe bei Gott, dass sie noch da sind, wenn ich zurückkomme.«
Ich verdrehte die Augen. Als Nächstes führte Momma zahlreiche Rezepte auf, legte fest, um wie viel Uhr ich mit Janie in der Bäckerei zu sein hätte (fünf Uhr morgens), was zuerst gemacht werden müsste, und weitere nichtige Kleinigkeiten wie die Farbe von Zuckerguss. Nochmals: Ich gebe hier nicht alles wieder. Ich sage nur: Zwangsjacke.
»Isabelle, hüpf nicht mit jedem Mann ins Bett, der dir über den Weg läuft. Das war sehr peinlich beim letzten Mal. Musst du unbedingt Zöpfe tragen? Nur Schwarze tragen Zöpfe. Du nicht. Bist du vielleicht schwarz? Ich habe dich besser erzogen, und das weißt du auch. Janie, bitte red nicht vor dich hin! So was tun Damen nicht. Achtet darauf, Mädels! Momma.«
Es kam noch ein P. S.: »Passt auf, dass Cecilia nicht noch mehr isst als jetzt schon. Sie ist eh viel zu dick. Ich habe für sie getan, was ich konnte.«
Als wir die Liste durchgelesen hatten, breitete sich Schweigen aus.
Cecilias Kinn bebte.
Ich legte ihr den Arm um die Schultern.
»Ich kann mich selbst lieben, auch wenn ich mich von Momma nicht geliebt fühle. Ich kann mich selbst lieben, auch wenn ich mich von Momma nicht geliebt fühle«, murmelte Janie.
Ich nahm sie in die Arme.
Cecilia ging zum Wandschrank, Janie kroch ihr hinterher. Sie machten die Tür zu.
Ich zerknüllte den rosa Brief, der ekelerregend blumig roch, und zog die Tür wieder auf: »Rutscht mal rüber!«
Später am Abend legten Henry, Janie und ich seine Muscheln auf dem Boden aus und bewunderten sie. Dann war seine Steinsammlung dran.
Als er ins Bett ging, sangen wir ihm Lieder vor, und ich strich seine Locken nach hinten. »Ich hab euch lieb«, murmelte er, als sich seine Mandelaugen schlossen. »O ja, ich hab euch alle so lieb. Henry freut sich, dass ihr zu Hause seid.«
In meinem ganzen Leben hat sich noch niemand so darüber gefreut, mich zu sehen, wie Henry es immer tut. Und es hat mich auch niemand so geliebt wie er. Wenn ich daran denke, reißt es mich fast entzwei.
Als er schlief, schlichen wir hinaus. Janie ging direkt in ihr Zimmer und begann, Menschen umzubringen. »Ich habe einen Abgabetermin und immer noch keine Friedenskerzen aufgestellt und mir noch keinen Platz für Meditation und Atemübungen eingerichtet.«
Ich umarmte sie, dann ging ich nach draußen zur Schaukel auf der Veranda. Momma war bereits im Bett. Unser Abendessen hatte ihr nicht gefallen. Die Soße sei zu würzig gewesen, das Brot hart wie »ein Koffer«, der Salat voller Salmonellen.
Wenn man das so hört, sollte man meinen, unsere Mutter wäre nicht mehr ganz dicht, so wie ihre Mutter. Das wäre allerdings ein Trugschluss. Momma war schon immer so, auch bevor sich unser Dad eine Tasche über die Schulter warf, unser Haus samt Schaukel zurückließ und unsere Auffahrt hinunterging, hinein in das weiche Licht der Morgendämmerung. So ist River Bommarito einfach.
Ich verdrängte sie aus meinen wirbelnden Gedanken und dachte beim Schaukeln an Henry.
Von klein auf war er krank, hilflos, liebenswert, mitfühlend, fröhlich und süß.
Eine unschlagbare Kombination.
Er war völlig unvorbereitet auf unsere beschissene Kindheit, besonders auf das, was ihm geschehen sollte, aber anders als seine Schwestern hatte er gelernt, immer wieder Vertrauen zu fassen. Hoffnung. Unvoreingenommen Kontakt zu anderen aufzunehmen.
Er war ein laufendes Wunder.
Ich schaukelte vor mich hin, das Land war still, der Wind ein leichtes, ruhiges Rauschen, die Hügel erhoben sich wie die sanfte Dünung eines grünen Meeres, über mir raschelten die Bäume. Es war unglaublich schön in Trillium River.
Ich hatte das Gefühl, in der Hölle zu sein.
Am nächsten Tag nahm Cecilia einen Tag frei von ihren Vorschulkindern, um uns zu helfen, Momma ins Krankenhaus zu
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