Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
bringen. Sie fuhr in ihrem Minivan vor, und Janie und ich bugsierten Momma auf den Beifahrersitz.
Die Sonne spähte gerade über den Horizont, der Himmel war goldrosa, der Wind betulich und entspannt, als hätte er heute alle Zeit der Welt, Momma zu verabschieden. Alles war ruhig, schläfrig und zufrieden.
Nur wir drei Schwestern nicht, die wir uns auf einem emotionalen Schlachtfeld voller Sprengsätze und Landminen befanden.
Momma hatte keine gute Laune. Das Frühstück, das ich ihr bereitet hatte, sei »flach« gewesen. Janie mache sie nervös. Ich hätte in der Nacht doch wohl keinen Mann auf mein Zimmer geschmuggelt, oder? In der Küche herrsche Durcheinander, so hätte es bei ihr noch nie ausgesehen. Cecilia sei zu spät. Sie käme immer zu spät. »Keine gut organisierte Frau. Sie ist chaotisch. Das Chaos in Person.«
»Hört auf, um mich rumzuwuseln«, fuhr Momma uns an und befestigte einen Perlenohrring. »Sag mir nicht, dass ich mich entspannen soll, Isabelle! Hör auf, vor dich hin zu brabbeln, Janie! Oder sprichst du mit einem eingebildeten Freund? Cecilia, mein Gott nochmal, du hast schon wieder zugenommen! Du bist noch dicker als gestern! Du musst aufhören zu essen. Heute ist einer der größten Tage in meinem Leben, wenn nicht der größte überhaupt, weil ich am offenen Herzen operiert werde, falls euch das entgangen sein sollte, und ihr sorgt dafür, dass ich zu spät komme!«
»Wir sind nicht zu spät, Momma«, sagte Janie zögerlich. »Mach dir keine Sorgen …«
»Ich mache mir aber Sorgen, Janie. Ich mache mir Sorgen, weil ich eine Tochter habe, die neun Bücher geschrieben hat und nichts anderes tut, als Menschen auf verrückte, skurrile Weise umzubringen.«
»Ich bringe keine Menschen um, Momma …«
»Jawohl! Was geht bloß in deinem Kopf vor sich? Zu so etwas habe ich dich nicht erzogen!« Sie schüttelte sich, damit ihr perfekt sitzendes blaues Kostüm noch perfekter saß, und schlug die blauen Schuhe übereinander. »Wann willst du endlich heiraten und Kinder bekommen? Du wirst zu alt …«
»Momma«, mischte ich mich ein, als Cecilia auf die Straße bog. »Sieh dir mal den Sonnenaufgang an, der ist wunderschön!« Momma, möchtest du nicht lieber fünf Monate im Krankenhaus bleiben statt fünf Tage? Möchtest du nicht, dass dir die Ärzte für den Rest deines Lebens den Mund zunähen?
Mit beiden Händen drückte ich meine Zöpfe an den Kopf. Ich spürte wieder diese Schwärze, direkt am Rand meiner Wahrnehmung. Mit aller Macht kämpfte ich dagegen an. Sie quälte mich seit meiner Kindheit. Manchmal gewann sie, manchmal ich. Heute würde ich auf jeden Fall auf dem zweiten Platz landen.
»Bitte, Isabelle! Ich weiß, was du da gerade versuchst«, sagte Momma. »Du versuchst, das Thema zu wechseln, aber das funktioniert nicht. Fahr an der Bäckerei vorbei, Cecilia, jetzt sofort! Ich will das Haus noch einmal sehen, bevor ihr es übernehmt und alles niederbrennt.« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte abwertend mit der Zunge. »Noch bevor die Woche um ist, wird mein Geschäft ruiniert sein.«
»Wird es nicht, Momma«, beruhigte Cecilia sie. Das versuchte sie immer, so wie sie auch Parker jahrelang beschwichtigt hatte. Cecilia hatte ihr Temperament für Parker gebändigt, hatte ihn freundlich bedient, um seine endlosen, unsinnigen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Mit Parker war sie dieselbe Beziehung eingegangen wie zu Momma. Als Dank dafür hatte er ihre Seele zerstört.
Es gab niemanden sonst auf dieser Welt, für den sie das getan hätte, denn eigentlich ist sie ein Tornado auf zwei Beinen.
»Janie und Isabelle werden sich gut um die Bäckerei kümmern, und wenn die Sommerferien anfangen, helfe ich auch mit, während du dich erholst.«
Momma auf dem Beifahrersitz lachte verächtlich. »Ha! Und was macht Henry ohne mich?«
»Der kommt schon klar«, sagten wir drei unisono.
»Und was ist mit Grandma?« Sie betastete ihr perfekt gebürstetes Haar. Drehte an ihrer Perlenkette.
»Grandma kommt schon klar«, erklärten wir erneut.
»Wenn ich zurückkomme, wird das Haus eine Müllhalde sein«, murmelte sie.
»Das Haus kommt schon klar«, sagten wir.
»Was seid ihr, Papageien-Drillinge? Hört auf damit! Es tut mir in den Ohren weh.« Sie massierte sich die Ohren.
Ich stöhnte.
Janie gluckste.
Cecilia seufzte.
Das würde eine lange Fahrt werden.
Man könnte meinen, ich sei hartherzig, weil ich nicht die Hände rang und in Hysterie verfiel, da Momma am offenen
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