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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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half Henry in der Kirche aus, wenn die Highschool-Jugendgruppe da war. Donnerstags ging er immer ins Seniorenzentrum und half bei der Austeilung des Mittagessens, putzte die Tische und bereitete alles für das Bunco-Spiel vor. Montag- und freitagmorgens besuchte er das Tierheim und streichelte Katzen und Hunde. (»Falls Janie wie eine Verrückte die Katzen zählen will – holt sie da weg!«)
    Wenn Henry bei Cecilia in der Vorschule half, sollte er darauf achten, dass Cecilia in der Pause mit den Kindern nach draußen ging. »Sie braucht Bewegung!« Samstags machte er mit anderen Behinderten einen Tagesausflug.
    Was Grandma beziehungsweise Amelia Earhart betraf, die hatte ihre eigenen Pläne. Sie wurde immer von einem kleinen Seniorenbus zu Ausflügen mit anderen alten Menschen abgeholt. Darunter gab es einige, die noch alle Tassen im Schrank hatten. Grandma durfte mit, weil sie, als sie noch alle Tassen im Schrank gehabt hatte, eine große Geldsumme gespendet hatte. (»Passt auf, dass Grandma keinen Whiskey auf diese Ausflüge mitnimmt. Fred Kawa trinkt immer zu viel und zieht sich am Ende nackt aus.«)
    »Zwischendurch kommt Velvet vorbei und hilft euch mit Grandma. Sie ist eine deutlich bessere Pflegerin als die Mottenkugel, die ihr mir beim letzten Mal geschickt habt. Außerdem mag Henry sie, der Gute. Sie weiß Bescheid, dass sie Henry nie und nimmer Orangensaft geben darf. Ihr wisst, warum. «
    Das wussten wir allerdings. Nur zu gut.
    Grandma war Velvet schon des Öfteren ausgebüxt, deshalb sollte ich darauf vorbereitet sein, schrieb Momma, die Bäckerei in null Komma nichts zu verlassen und Velvet bei der Suche nach Grandma zu helfen. »Mach dich sofort auf den Weg! Du bist ein faules Stück, Isabelle, du trägst die Faulheit in dir, und ich weiß, Janie, dass du komische Sachen tun musst, bevor du den Laden verlässt. Keine Ahnung, wo du diese seltsamen Angewohnheiten her hast, aber bestimmt nicht von mir.«
    Grandma konnte sich ihre Fliegermontur selbst anziehen, vergaß aber manchmal ihre Unterwäsche. »Ihr müsst jeden Tag nachsehen, ob sie ihren Hintern ordentlich bedeckt hat.« Ich sollte ihr das Haar kämmen, Beschreibung lag bei. Grandma vergaß oft, sich die Zähne zu putzen, und hielt gelegentlich lange Reden vorm Spiegel. Wenn die Rede zu lang wurde und sie dadurch ihren Tagesausflug zu verpassen drohte, sollte ich in ihr Zimmer gehen, in dem sie nun seit vierundsechzig Jahren schlief, und rufen: »Mrs Earhart, sind Sie startklar? Ihr Flugzeug steht auf der Startbahn.«
    Dann würde Grandma ihre Rede abbrechen, salutieren und nach unten zum Bus gehen.
    Morgens musste sie auf jeden Fall Kleie essen. »Sie hat Verdauungsprobleme. Wenn sie keine Kleie isst, bekommt sie eine üble Verstopfung. Achtet darauf, dass sie die Kleie wirklich isst. Außerdem hat sie Hämorrhoiden, die sie ihre ›unteren Schussverletzungen‹ nennt, um die müsst ihr euch auch kümmern. Die Creme liegt auf der Kommode.
    Zwingt Grandma zu nichts, was sie nicht tun will. Ich weiß, dass ihr Mädchen gerne alles unter Kontrolle habt, aber kontrolliert euch erst mal selbst. Selbstkontrolle ist wichtig für jede Dame, und ihr könnt sie dringend gebrauchen.« Bei diesem Ratschlag verdrehte ich die Augen.
    Ich wusste bereits, dass ich unsere Großmutter als Amelia oder Mrs Earhart ansprechen musste. Über ihren Ehemann, Mommas Vater, durfte ich nicht mit ihr reden, da Mrs Earhart dann anfangen würde zu fluchen und auszuführen, wie sie diesen »Betrüger abmurksen« würde. Oder sie rief: »Er ist kein Mann, er ist ein Eunuch. Keine Eier. Wichser.«
    Mein Großvater Colin war, wie die Legende berichtete, ein Mann mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gewesen. Er war Arzt, daher das große Haus, und er starb bei einem nächtlichen Picknick mit seiner Arzthelferin oben auf einer Klippe. Er hatte zu viel getrunken und war hinuntergestürzt.
    Momma war damals vierzehn. Sie hatte mir erzählt, ihre Mutter hätte mit folgenden Worten reagiert: »Wunderbar! Ich hätte mich eh scheiden lassen müssen. Jetzt bekomme ich auch noch die Lebensversicherung und kann auf seinem Grab tanzen.« Das tat sie offenbar tatsächlich. Fünf Jahre lang tanzte sie jeden Freitagabend auf seinem Grab und trank dabei seinen Whiskey. Dabei rief sie: »He, du Abschaum! Siehst du, wer hier tanzt? Und wer da unten verrottet?«
    Also: bloß nicht an Großvater Colin erinnern.
    Die Liste mahnte mich außerdem, dass ich sie nicht mit »Grandma«

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