Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
keine Rechte für die Frauen, die wie Ziegen behandelt werden. Da hat er eine Menge auf seiner Aufgabenliste stehen.«
»Dich kann er auch sehen, Kayla, und zwar sieht er ein Kind, das jeden Monat einen anderen Glauben hat«, warf Cecilia ein.
»Das stört Gott überhaupt nicht. Er weiß, dass ich auf der Suche nach Frieden bin«, widersprach Kayla. »Außerdem benutzen die Menschen Religion nur als Ausrede, um sich gegenseitig umzubringen.«
»Die Eingeborenen können uns umbringen!«, verkündete Grandma und fuchtelte mit ihrem Messer wie ein Schwertkämpfer. »Aufgepasst!«
»Nicht immer«, sagte ich. »Ich habe Religion als Ausrede benutzt, um in der Kirche Rotwein zu trinken.«
Janie musste lachen, Milch schoss ihr aus der Nase. Cecilia bekam keine Luft mehr, ich musste ihr auf den Rücken klopfen.
Dabei war es die heilige Wahrheit. Mittwochs abends schlichen wir uns in die Kirche und tranken den Messwein aus Pappbechern. Kein Mensch verstand, warum wir uns schlapp lachten, wenn wir unser Ave Maria beteten.
»Was ist denn daran so lustig? Das können nur Schwestern verstehen, oder?«, fragte Riley. Sie drehte das Haar um den Finger. Ich glaube nicht, dass sie damit während des Essens eine Pause gemacht hatte.
»Nimm die Finger aus den Haaren! Was soll das? Bist du ein Korkenzieher?«, fuhr Cecilia sie an.
Riley nahm den Finger heraus. Ihr Haar war dünn, viel zu dünn. Sonst war es immer sehr voll gewesen. Konnte ich da kahle Stellen sehen, oder frisierte sie sich nur komisch?
»Also, Kayla«, sagte Janie und griff wieder nach ihrer Teetasse. »Du befasst dich also damit, Mormonin zu werden?«
»Ja, und nächste Woche gehe ich mit meiner Freundin Shelley in deren Kirche. Sie ist Mormonin. Sie hat sieben Geschwister. Insgesamt acht Kinder, Mom! Du hast nur zwei. Sie werden alle zusammen im Himmel leben, und sonntags haben sie ihren Familientag. Und sie streiten sich nie.«
Cecilia stand auf und breitete die Arme aus. »Warum hat mir noch niemand verraten, dass ich keine acht Kinder habe? Ich dachte, ich hätte mindestens sechs. Es gibt tatsächlich nur euch zwei? Mir erzählt auch wirklich keiner mehr was.« Sie klopfte auf ihren dicken Bauch. »Vielleicht ist da ja eins drin?« Sie starrte darauf. »Huhu! Jemand zu Hause? Hallo! Noch ein Baby? Vielleicht sogar zwei?«
Kayla spießte eine Ravioli mit der Gabel auf und zielte auf ihre Mutter.
»Wag es nicht!«, drohte Cecilia. »Wag es bloß nicht!«
Mit bösem Blick ließ Kayla die Ravioli sinken.
Ich warf eine von meinem Teller nach ihr.
Auch Cecilia schleuderte eine Nudeltasche auf ihre Tochter. Sie traf sie ins Gesicht.
»Gott segne dich, du schlechte Mutter«, sagte Kayla.
Ich warf eine nach Janie. Überrascht sprang sie auf und warf eine auf Riley. Wie es sich gehörte, landete die Ravioli in ihrem Haar. Riley pflückte sie sich vom Kopf und zerquetschte sie zwischen den Fingern.
Henry lachte. Er nahm eine ganze Handvoll Ravioli und drückte sie auf seinen Kopf. »Guckt mal! Guckt mal! Ich hab ein Raviolinest auf dem Kopf! Ein Raviolinest. Jetzt muss ein Vogel kommen!«
Grandma erhob sich, setzte ihre Brille auf und zog die Fliegermontur gerade. »Ich bin startklar.« Sie griff in die Ravioli und warf sie in die Luft, dann kletterte sie auf den Tisch und setzte sich mitten drauf. »Schweres Wetter voraus! Schweres Wetter voraus!«, rief sie. »Vorbereiten auf Bruchlandung! SOS! SOS!«
Wir wussten, was wir zu tun hatten, damit Grandma sich nicht fürchterlich aufregte. Wir taten so, als würden wir ebenfalls Fliegerbrillen aufsetzen, legten uns Servietten auf den Kopf, hielten uns an den Stühlen fest und wippten vor und zurück.
»Durchhalten! Es geht runter! Es geht runter!«, rief Grandma in ihr Glas. »SOS! SOS!«
Noch einmal warfen wir Ravioli in die Luft, dann prallten wir auf.
Grandma hielt unvermittelt inne und seufzte inbrünstig. »Wir sind verloren.«
Grandma hatte recht, absolut.
Wir waren verloren. Ich warf eine Scheibe Knoblauchbrot nach Cecilia.
Sie fing sie auf und verdrehte die Augen.
Nach dem Essen brachte Velvet Grandma ins Bett, während wir Mädels abwuschen.
Velvet Eddow war der magerste Mensch, den ich je gesehen hatte. Sie erinnerte mich an Ichabot Cranes Katrina, nur ohne Pferd. Sie war einsachtzig groß, hatte kräftige Gesichtsknochen und weiße Locken, die sich oben auf ihrem Kopf türmten. Sie war mindestens fünfundsiebzig und hatte einen schweren, rollenden Südstaatenakzent durch fünfzig Jahre
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