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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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    Mit dem Wissen von heute ist mir inzwischen klar, dass die Männer kapiert hatten, was bei uns zu Hause los war. Sie hatten eines Morgens Bekanntschaft mit Momma gemacht, nachdem sie zwei Wochen im Bett gelegen hatte. Sie war nicht geduscht, ihr Haar stand wirr zu Berge, ihr Morgenmantel war fleckig von Essensresten, Traubensaft und ihren Zusammenbrüchen.
    Momma warf einen entsetzten Blick auf die beiden und knallte die Tür zu. »Wie kannst du es wagen, Männer ins Haus zu holen, wenn mein Haar nicht frisiert ist!« Sie gab mir eine schallende Ohrfeige, ihr Blick war noch trüb und ohne Fokus. »Was wollen die von einem jungen Mädchen wie dir? Das sind doch Perverse, oder? Perverse.« Sie knallte mir noch eine.
    Nein, Momma, wollte ich sagen, denen liegt etwas daran, ob ich lebe oder sterbe, was mehr ist, als man von dir behaupten kann. »Das sind mein Lehrer und sein Bruder. Sie helfen mir bei den Hausaufgaben.«
    Sie fuhr sich mit zittrigen Händen durch das fettige Haar und brach in Tränen aus. »Na gut. Dann geh. Geh!«
    Mr Sands und Mr Reynolds tätschelten mir an dem Tag immer wieder den Arm und spendierten mir ein Vanilleeis mit Kräuterlimonade.
    Bald war ich ganz versessen aufs Fotografieren. Vielleicht lag es daran, dass ich mich in Gegenwart der beiden Männer unbeschmutzt fühlte. Nicht vollkommen rein, das war nicht möglich – schließlich hatte ich Momma, die mich wohl hasste, einen von Sekunde zu Sekunde schlechteren Ruf und quälende Erinnerungen, die ich nicht abstellen konnte … doch durch die Freundlichkeit und den Humor der Männer fühlte ich mich besser.
    An jenem Nachmittag machte ich ein Foto von meinem Gesicht, hielt die Kamera auf Armeslänge von mir, der Fluss im Hintergrund. Von Mommas Ohrfeige war mein Gesicht rot, meine Augen waren einsam und geschwollen von den Tränen, die ich in der Hoffnung vergossen hatte, Momma würde mich eines Tages doch noch lieben. Tagelang starrte ich das Foto an. Ich habe es immer noch. Es weckte mein Interesse daran, nicht nur Flüsse, Wasserfälle und Blumen zu fotografieren, sondern leidende Menschen. Menschen wie mich.
    Das führte dazu, dass ich auf dem College im Hauptfach Journalismus und im Nebenfach Fotografie belegte, ich arbeitete für Zeitungen und Dokumentarfilmer, die mich in Kriegsgebiete schickten.
    Dadurch entstanden Tausende von Bildern ungeheuren, erbärmlichen, grauenvollen Leids in meinem Kopf, so dass mein Verstand – nach allem, was er eh schon verkraften musste – schließlich aufgab und das Handtuch warf.
    Und genau da passierte im vergangenen Jahr diese Geschichte.
    Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen loszuwerden. Wild schwangen meine Zöpfe.
    Jetzt war ich wieder hier, auf dem Weg zur Bäckerei, und ich hasste diese Arbeit.
    »Ich kann’s nicht fassen, dass ich hier bin«, klagte Janie.

    Bommaritos Bäckerei befindet sich in einem zweistöckigen Gebäude zwischen der Apotheke und einem Buchladen auf der Hauptstraße von Trillium River. Momma hatte sie zwei Jahre zuvor »wiederbelebt«, nachdem sie die Bäckerei ein Jahr nach Janies Weggang zum College geschlossen hatte. »Die Bewohner von Trillium River haben mich um meine Backwaren angefleht, um Backwaren, wie ich sie mache. Auf Rivers Art«, hatte sie mir mit erhobenen Augenbrauen verkündet.
    Die Glöckchen klingelten, als ich die Tür öffnete. Wir traten ein.
    »Das wird alles andere als Spaß machen«, stöhnte ich.
    »Nicht gut, nicht gut, nicht gut«, jammerte Janie.
    Im Laden gab es fünf rote Sitzecken und sieben Tische. Sie mussten geschrubbt werden. Der Boden war aus schwarz-weißem Linoleum, zerkratzt und dreckig. Er musste gewischt werden.
    Die rote Markise vor dem Schaufenster war staubig und hing durch, die Buchstaben an der Scheibe waren verblichen, die Fensterdekoration in langweiligem Beige gehalten. Es gab zwei lange Vitrinen für Kekse, Kuchen, Süßigkeiten und Brot.
    Es mussten neue her.
    Die Einrichtung stand in direktem Kontrast dazu, wie alles geglänzt hatte, als wir hier damals arbeiteten. Momma hatte uns Zahnbürsten, Schwämme, Schrubber und Wischmopps in die Hand gedrückt und uns gezwungen, so lange zu putzen, bis alles so sauber war, dass man vom Boden essen konnte.
    »Ich wusste es.« Ich hatte es gewusst. Cecilia hatte es mir nur nicht erzählen wollen.
    »Die Bäckerei ist tot. Kommt mir vor, als trieben sich hier Gespenster herum«, flüsterte Janie, während wir in einem Sonnenstrahl standen und

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