Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
glauben?«, entgegnete Cole. »Wir bitten niemanden um seine Einwilligung und wollen nur in Ruhe gelassen werden. Wenn du sagst, du bist ein Clayborne, und wir sagen, du bist ein Clayborne, wer sollte da widersprechen. Und falls das irgendwem nicht passt, muss er sich erst einmal mit uns auseinander setzen – wenn er unbedingt Ärger haben will. Und vergesst nicht – ich habe ein Schießeisen! Sicher kann ich bald damit umgehen, und alle Schwierigkeiten aus der Welt schaffen.«
Die anderen nickten, nur Adam seufzte skeptisch. Feierlich legte Douglas eine Hand auf den Korb. »Wir fliehen für Mama Rose – und wir bilden eine Familie für unsere kleine Mary Rose. Jetzt sind wir Brüder.«
»Ja – Brüder!«, gelobte Travis und berührte Douglas’ Hand.
Auch Cole schloss sich dem Bund an. »Für Mary Rose und Mama Rose. Und wir sind Brüder, bis der Tod uns scheidet.«
Adams Zögern schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Aber dann umschloss er Coles Hand, die auf den anderen lag. »Brüder«, schwor er, und seine Stimme bebte vor Rührung. »Für die beiden Rosen.«
3. Juli 1860
Liebe Mama Rose, ich schreibe dir an Mistress Livonias Adresse, und ich hoffe, du bist bei guter Gesundheit, wenn dich mein Brief erreicht. Nun werde ich dir meine wundervolle, abenteuerliche Reise in den Westen schildern. Aber zuerst muss ich dir von unserer neuen Familie erzählen. Jetzt hast du eine Namensschwester, Mama. Sie heißt Mary Rose …
Alles Liebe,
John Quincy Adam Clayborne
1
Montana Valley, 1879
Endlich würde das Baby nach Hause kommen. Cole wartete neben seinem Wagen auf die Postkutsche, die bald an der Straßenbiegung auftauchen musste. Wie die Staubwolke über dem Hügel verriet, konnte es nicht mehr lange dauern. Vor lauter Aufregung konnte er kaum stillstehen. So schmerzlich hatte er sich nach Mary Rose gesehnt …
Ob sie sich in den letzten Monaten sehr verändert hat, überlegte er. Dann musste er über diesen dummen Gedanken lachen. Immerhin war sie schon erwachsen gewesen, als sie die Ranch vor einem Jahr verlassen hatte, um die Schule zu besuchen. Vielleicht zeigten sich jetzt noch etwas mehr Sommersprossen auf ihrer Nase, und sie trug das Haar länger. Ansonsten würde sie so aussehen wie zuvor.
Allen hatte sie gefehlt. Tagsüber gab es viel zu tun auf der Ranch, und sie fanden keine Zeit, um an Mary Rose zu denken. Doch beim Abendessen erinnerten sie sich wehmütig an die Stunden, wo sie ihnen befohlen hatte, ihre neuen Speisen zu kosten. Sie war eine gute Köchin, aber keiner mochte die ausgefallenen französischen Saucen, die sie über alles zu schütten pflegte.
Die Postkutsche hatte sich um eine Stunde verspätet, und das bedeutete, dass der alte, bärbeißige Clive Harrington das Gespann lenkte. Natürlich musste er Mary Rose unterwegs die neuesten Klatschgeschichten erzählen, und das gutmütige Mädchen würde es nicht übers Herz bringen, ihn zur Eile anzutreiben. Die beiden waren dicke Freunde, wenn auch niemand in Blue Belle verstand, warum. Ständig jammerte der mürrische Clive über dieses und jenes – nach Coles Meinung ein höchst unangenehmer Zeitgenosse.
Sobald er auftauchte, leerten sich die Gehsteige in der Stadt. Niemand konnte diesen notorischen Nörgler ertragen. Nur wenn er Mary Rose erblickte, ging eine seltsame Verwandlung mit ihm vor. Plötzlich trug er ein lächerliches Grinsen zur Schau und scharwenzelte wie ein Narr um sie herum. Und sie mochte den alten Hurensohn wirklich, kümmerte sich rührend um ihn, lud ihn an Feiertagen zum Essen ein und flickte sogar seine Kleider.
Einmal im Jahr erkrankte Harrington, meistens um die Zeit, wo das Vieh zusammengetrieben wurde, aber manchmal schon einen Monat früher. Dann stand er vor der Clayborne-Tür, den Hut in der Hand, und fragte, wie er sein mysteriöses Leiden kurieren könne. Selbstverständlich war das nur ein mieser Trick. Aber Mary Rose quartierte ihn im Gästezimmer ein und verhätschelte ihn eine volle Woche lang, bis er sich wieder besser fühlte.
Während der alte Knacker nun die Pferde zügelte, putzte er sich geräuschvoll die Nase. Cole ahnte bereits, dass ein weiterer Krankenurlaub geplant war. Kaum blieb die Postkutsche stehen, als auch schon die Tür aufflog und Mary Rose heraussprang. »Endlich daheim!«, jubelte sie, raffte die Röcke und rannte zu ihrem Bruder. Der Hut fiel ihr vom Kopf und landete im Staub. Krampfhaft versuchte Cole, seine ernste, kühle Miene beizubehalten, denn Harrington sollte
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