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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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wohin, und so schnell, daß wir ihm
     kaum folgen konnten. »Wir«, das waren außer mir der Marschall Vitry, sein Bruder du Hallier, der neugebackene Gardehauptmann,
     Monsieur de la Curée, Hauptmann der Kavallerie, der königliche Hofmeister Baron von Paluau und der junge Montpouillan, ein
     Sohn des Herzogs de La Force. Höchst verwundert also sahen wir Ludwig im Geschwindschritt durch Galerien und Treppenhäuser
     des Louvre eilen, ohne zu wissen, wohin zum Teufel es ihn um halb sieben Uhr früh so heftig trieb, obendrein, wie wir alle,
     mit nüchternem Magen, weil er beim Lever auch nicht eine Krume zu sich genommen hatte.
    Der Wachsoldat war so überrascht, als der König am Schalter erschien, daß er ihn zuerst gar nicht erkannte und womöglich noch
     festgenommen hätte, wäre hinter ihm nicht Vitrys dicke Rübe aufgetaucht. Flugs beeilte er sich also, die Eintretenden zurückzudrängen
     und Seiner Majestät Platz zu machen auf dem schmalen Steg, der zur ›schlafenden Brücke‹ führte. Dann öffnete er weit, aber
     natürlich nicht allein, die Porte de Bourbon, die nur angelehnt war.
    Erst draußen begriffen wir, was Ludwig seit Anfang dieses Eilmarsches im Sinn gehabt hatte, nämlich als wir ihn mehrfach ans
     Tor des Jeu de Paume klopfen sahen, das, wie mein Vater sagte, unter Karl IX. das
Fünfjungfernhaus
hieß, weil der damalige Besitzer des Ballspielhauses fünf mannbare Töchter hatte. Dieser Name war dem Jeu de Paume noch geblieben,
     als die Jungfern längst keine Jungfern mehr, sondern Ehefrauen und Mütter und der Hausherr begraben waren.
    Vitry verstärkte das königliche Klopfen mit seinen großen Fäusten und machte einen Lärm, bis die Pforte des Jeu de |24| Paume schließlich aufging und ein dürrer, altersgrauer Wächter erschien, der bei Ansicht des Königs fast in Ohnmacht fiel.
     Die große Halle lag zu dieser morgendlichen Stunde verlassen, und nachdem die Tür hinter uns geschlossen war mit dem Gebot,
     niemanden hereinzulassen, zeigte es sich, daß keine Schiedsrichter, kein Schreiber, keine Balljungen da waren. Und wir hätten
     auch keine Bälle und Schläger gefunden, wenn der Haudegen Vitry nicht seine eigene Methode gehabt hätte, einen verschlossenen
     Schrank zu öffnen.
    »Vitry zwingt wieder mal eine Tür«, sagte Ludwig süßsauer in Anspielung darauf, daß Vitry einige Jahre zuvor sich nicht gescheut
     hatte, ein Gefängnistor zu sprengen, um zwei Soldaten zu befreien, die der Polizeihauptmann in Gewahrsam genommen hatte.
    »Alsdann!« sagte Ludwig, den Schläger in der Hand, »wer spielt gegen mich? Ihr, Vitry?«
    »Sire«, sagte Vitry, »ich wäre ein jämmerlicher Gegner. Nehmt lieber La Curée. Der ist sehr gut.«
    »Ja, gerne, Sire«, sagte La Curée, der aber ganz und gar nicht entzückt schien, sich mit leerem Magen ins Getümmel zu stürzen,
     denn er war ein großer Schlemmer.
    Vielleicht erinnert man sich, wie bei dem ländlichen Festschmaus der ›Freßsäcke vom Hofe‹, denen Ludwig sich damals fröhlich
     zugesellte, Monsieur de La Curée, eine große Serviette um den Hals, zu Pferde die Schüsseln von der Küche holte und sie auch
     zu Pferde den ›Freßsäcken‹ überbrachte, nicht ohne davon jeweils eine Portion in sich hineinzustopfen.
    Ludwig beauftragte Vitry, Schiedsrichter zu sein, aber weil kein Schreiber da war, übernahm der Marschall auch die Aufgabe,
     auf einer schwarzen Tafel die Punkte anzuzeichnen, die beide Spieler errangen.
    Mich wählte der König zum Netzrichter, doch gab es hier kein Netz, sondern ein zwischen den Spielern gespanntes Seil, das
     in ganzer Länge mit Fransen behängt war, die bis auf den Boden hinabreichten. Weil aber die Fransen nicht so dicht fielen,
     daß ein Ball nicht doch einmal hindurchflog, was zu endlosen Streitereien zwischen den Spielern geführt hätte, mußte der Netzrichter
     entscheiden.
    Ludwig bestimmte Paluau und Montpouillan, die Bälle aufzusammeln, die im Fünfjungfernhaus aus Hundehaar mit einem |25| Lederbezug bestehen – aber nicht irgendwelchem Hundehaar und nicht irgendwelchem Leder –, und, nebenbei gesagt, als die besten
     in Europa gelten, ich bin nämlich sehr stolz auf alles, was es in unserem Reich Gutes gibt. Die beiden Balljungen mußten ebensoviel
     laufen wie die Spieler, doch ohne jeden Ruhm, es war eine demütige und anstrengende Aufgabe, weniger für Montpouillan, der
     mit seinen sechzehn Jahren dünn und behende war wie ein Windhund, aber für Paluau, den sein verfrühter

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