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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die Zuschauerbänke, die Tisch und Stühle ersetzten. Alles
     machte sich über das Fleisch mit Fingern und Zähnen her, weil die Küche Messer und Gabeln vergessen hatte. Am meisten Ehre
     wurde den Bressehühnchen erwiesen, die zwar am Vortag gebraten, aber am saftigsten waren. Wie ich sah, aß Ludwig gegen seine
     Gewohnheit wenig, vermutlich dachte er an die unvollendete Partie. Dafür schlang La Curée für drei, immerhin hatte er einen
     Ruf zu verteidigen.
    »Ah, leckeres Keulchen!« sagte er, und der Speichel troff ihm quasi vom Munde, als er sein Lieblingsstück von einem goldenen
     Hühnchen abriß.
    »Pah!« sagte Vitry, »Luynes hat jetzt ein viel leckereres beim Wickel!«
    »Vitry!« sagte Ludwig in strengem Ton, aber ohne die Stimme zu heben, »ich will nicht, daß vor mir unzüchtig und unflätig
     geredet wird.«
    Vitry senkte sofort den Kopf, und es war eine Pracht, wie dieser Klotz jungfräulich errötete. So hatte ich ihn schon einmal
     anlaufen sehen, als er in Ludwigs Kutsche vor Hunger versucht hatte, heimlich ein Biskuit zu verdrücken, und Ludwig bemerkte:
     »Vitry, wollt Ihr meine Karosse zur Wirtschaft machen?«
    Selbstredend war jene wegen Madame de Luynes erteilte königliche Rüge noch vor Mittag am ganzen Hof herum, die einen mokierten
     sich hinter vorgehaltener Hand über die Prüderie des Königs, die anderen, besonders die Damen, beklagten die Grobheit des
     Marschalls. Ich gehörte zu letzteren, teils vielleicht, weil Madame de Luynes sich schon in mein Herz gestohlen |28| hatte, teils aber auch, weil Ludwig nach meiner Ansicht recht daran tat, in seiner Gegenwart keine Zoten zu dulden. Einfachheit
     hieß bei ihm nicht, daß er alles durchgehen ließ. Es war vorgekommen, daß Ludwig, erschöpft und hungrig nach langer Jagd,
     zu Fuß bei Wind und Regen, ein ländliches Gasthaus betreten und dort Schweizer eines seiner Regimenter vorgefunden hatte.
     Er setzte sich mit ihnen an denselben Tisch und teilte mit ihnen Roggenbrot, gesalzene Butter und billigen Wein. Aber man
     gebe sich keiner Täuschung hin: dabei blieb er immer der König.
    Was die Ballpartie mit Monsieur de La Curée betrifft, so gewann Ludwig sie, weil sein Gegner nun schwer war von Fleisch und
     Wein. Und kaum hatte Vitry mit Stentorstimme den Sieg des Königs verkündet, überbrachte ich Seiner Majestät den Beutel mit
     dem Wettertrag. Wie gesagt, waren es keine zwölf Ecus mehr, sondern elf. Aber entweder hatte der König Vitrys Unverschämtheit
     nicht bemerkt, oder er wollte den Marschall an einem Morgen nicht ein zweites Mal rüffeln, jedenfalls sagte er nichts. Ganz
     anders als sein Vater, der auf alle Glücksspiele versessen war und auch schamlos mogelte, hielt Ludwig darauf, Geld und Vergnügen
     nicht zu vermischen. Wenn aber der Brauch es wie bei diesem Spiel verlangte, respektierte er streng die Regeln, stritt nie
     um einen Punkt und war ein guter Verlierer.
    An diesem, wie gesagt, für Luynes und mich denkwürdigen 13. September sah ich Ludwig noch zweimal: von Mittag bis um halb
     drei Uhr im Kronrat und am Abend bei Monsieur de Luynes, der um acht Uhr dem König und den Gästen seiner morgendlichen Trauung
     ein Souper gab. Das ganze Mahl war höchst raffiniert, doch hatte ich kaum darauf acht. Madame de Luynes hatte ein neues Gewand
     angelegt, das ihrem Hochzeitskleid an Glanz nicht nachstand. Ihr Antlitz war im Kerzenschein noch schöner, süßer und voll
     eines innigen Zaubers, der mich tief berührte. Abgesehen von zwei, drei Malen schaute ich sie, ganz gegen mein Wünschen, jedoch
     nicht an. Ich fürchtete, wenn ihre schönen blauen Augen meinen Blick kreuzen würden, verfiele ich noch tiefer in jene Sklaverei,
     in die ich in der Frühe bereits unverhofft geraten war.
    Das Souper endete um elf Uhr, und um die beiden Gatten nicht zu trennen, verbot Ludwig seinem Gastgeber, ihn zu seinen |29| Gemächern zu geleiten, wie es das Protokoll verlangte, Luynes war ja wie ich Erster Kammerherr. Dadurch hatte Ludwig indes
     keinen Verlust, denn alle, die am Souper teilgenommen hatten, folgten ihm bis an seine Tür, dort jedoch entließ er die ganze
     Gesellschaft.
    Als ich diesen Urlaub auch auf mich bezog und gehen wollte, sagte er: »Bleibt,
Sioac .«
    So hatte Ludwig mich genannt, als er sechs Jahre alt war und noch kein r sprechen konnte. Und jedesmal, wenn er mir seine
     Zuneigung bekunden wollte, kam er auf diese kindliche Anrede zurück.
    Berlinghen hing mit ausgestreckten Beinen schräg auf

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