Rosen des Lebens
mich dazu auffordern.«
»Tun sie das denn?«
»Manchmal.«
»Ich bin überwältigt! Also, wenn die paar Wörtchen …«
»Madame, ich habe nicht ›ein paar Wörtchen‹ gesagt, ich habe gesagt ›manchmal‹.«
»Bitte, wenn die paar Wörtchen, zwei-, dreimal im Monat, Euch genug sind, na, bestens, Chevalier, bestens!«
Dieses ›Chevalier‹ statt des gewohnten ›Söhnchen‹ war bei allem der schärfste Pfeil, und nach diesem Pfeil kehrte Madame de
Guise mir zornentbrannt den Rücken und eilte mit rauschenden Röcken davon.
Der Staatssekretär für ausländische Angelegenheiten, dem ich von Amts wegen unterstand, war derzeit noch Monsieur de Villeroy.
Soweit mein Alter und das seine es erlaubten, hatte ich unter der Regentschaft der Königinmutter seinen Umgang gesucht. Als
Sohn eines Vorstehers der Pariser Kaufmannschaft, als gebildeter, strebsamer und scharfsinniger Bürgerlicher, mit Tugenden
begabt wie mit Vermögen, als ein Muster jenes Amtsadels, der dem Geburtsadel ein steter Dorn im Auge war, hatte Villeroy vierzig
Jahre teilgehabt an der Führung der Staatsgeschäfte. Henri Quatre hatte ihn sogar trotz eines gewissen Mißtrauens, weil Villeroy
in seinem ausgesprochenen Katholizismus ein Sympathisant der Spanier war, aber auf Grund seiner großen Erfahrung behalten,
auch weil er – außer wenn es sich um Spanien handelte – einen untrüglichen Sinn für die Reichsinteressen hatte.
Als Ludwig ihn erneut berief, war Monsieur de Villeroy |12| dreiundsiebzig Jahre alt, sein Haupt schon weiß, die Wangen hohl, die Nase lang, und ein schütterer Spitzbart zog das gelbe
Gesicht in die Länge. Um den mageren Hals trug er eine altmodische Krause, über die unsere Hofgecken sich ausgeschüttet hätten,
wäre Monsieur de Villeroy nicht eine so ehrwürdige Erscheinung und von einer Weisheit gewesen, der unsere Herrscher Respekt
zollten.
Er schätzte mich, weil ich ihm gerne zuhörte, aber auch, weil ich keine Mühe gescheut hatte, mehrere Sprachen zu erlernen,
kurzum, weil ich freudig bestrebt war, mich zu bilden, obwohl ich von Adel war. Und soweit seine Gesundheit es gestattete,
hatte Monsieur de Villeroy die Güte, nach den Ratssitzungen oder den Anhörungen der Gesandten noch vertraulich mit mir zu
plaudern und mir mit der Vorsicht und Verbindlichkeit des alten Diplomaten den Hintergrund jener Dinge zu enthüllen, von denen
bei der Sitzung nur der Vordergrund zur Sprache gekommen war.
Leider ging es ihm nicht mehr allzu gut, und obwohl sein Geist klar blieb, wurde sein Gang von Tag zu Tag unsicherer, seine
Gestik fahriger, und er schnaufte stark, die langen Ratssitzungen erschöpften ihn. Und sieben Monate, nachdem er erneut an
die Macht gekommen war, ging er den Weg allen Fleisches und folgte den Fürsten, denen er gedient hatte, ins Grab.
In den ausländischen Angelegenheiten wurde er durch Monsieur de Puisieux ersetzt, den Sohn des Kanzlers Brûlart de Sillery.
Doch sosehr ich um gute Beziehungen zu den beiden Brûlarts, wie man Vater und Sohn nannte, bemüht war, weil meine Aufgaben
bei ihnen dies erforderten, konnte ich nie die geringste Spur von Freundschaft und Achtung für sie empfinden, denn allzubald
mußte ich feststellen, daß sie einer wie der andere weit eher ihre eigenen Dinge betrieben als die des Staates.
Noch zu Lebzeiten von Monsieur de Villeroy wohnte ich der Audienz eines Gesandten bei, die einen tiefen Eindruck auf mich
machte. Aber vielleicht sollte ich zuerst darstellen, auf welche Weise die Dinge für gewöhnlich abliefen. Wenn einer der ausländischen
Gesandten den König zu sprechen wünschte, wandte er sich an Monsieur de Bonneuil, der den König davon unterrichtete, der ihn
wiederum an Monsieur de Villeroy verwies, der sich darüber mit Seiner Majestät verständigte. War |13| dann eine Entscheidung gefallen, meldete Monsieur de Bonneuil dem Ersuchenden, daß sein Verlangen entweder genehmigt oder
abgelehnt worden sei. Aber der König konnte einen Gesandten auch über den Kanal von Monsieur de Villeroy und Monsieur de Bonneuil
einbestellen, wenn er es für notwendig hielt.
Dieser Fall nun ereignete sich in den ersten Junitagen des Jahres 1617, weil Spanien, das sich bereits Mailand einverleibt
hatte, Streit mit dem Hause Savoyen anfing, das Frankreich seit langem freundschaftlichst verbunden war und sich ihm zwei
Jahre darauf noch enger verband durch die Heirat von Chrétienne, Ludwigs zweiter Schwester, mit dem
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