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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Lesdiguières,
     der die Spanier zwang, die Belagerung von Verceil aufzugeben. Gewiß hatte der Kronrat mit großer Mehrheit für diese Intervention
     gestimmt, doch der König hatte sich einen Beschluß zu eigen gemacht, der genau seiner Sicht entsprach, und ihn mit aller Energie
     durchgeführt. Vom ersten Tag an, als er der Herr war, folgte Ludwig der Maxime, die Mitglieder des Rates nach einer Diskussion
     abstimmen zu lassen und sich dem Wort der Mehrheit anzuschließen, aber nicht, wenn diese Ansicht seiner inneren Überzeugung
     widersprach. Dann entschied er aus eigenem Ratschluß, wie es sich in der Jesuitenaffäre zeigen wird.
    Die Ratssitzungen fanden im Büchersaal in der zweiten Etage des Louvre statt. Es war ein schöner Raum, ringsum mit verglasten
     Bücherschränken bestellt, dazwischen hingen Wandteppiche. Ludwig saß, den Hut auf dem Kopf, am oberen Ende des Tisches. Zu
     seiner Linken und Rechten hatten je zwei der vier ebenfalls bedeckten Staatssekretäre Platz. Die übrigen Teilnehmer, auch
     Prinzen und Herzöge, standen barhäuptig.
    Lakonisch, wie Ludwig es war, verlangte er auch von seinen Ministern Knappheit und Klarheit. Begann einer von ihnen zu reden,
     drückte er den Hut in die Stirn, kreuzte die Arme und hörte ihm mit undurchdringlichem Gesicht und gesammelter Aufmerksamkeit
     zu. Er unterbrach nie. Als der Prinz Condé eines Tages einem Staatssekretär mit einer Bemerkung ins Wort fiel, hob Ludwig
     die Hand und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Mein Cousin, ich lasse einen jeden zu Wort kommen. Ihr werdet
     alle Muße haben, Eurerseits zu sprechen.«
    Was mich angeht, war ich, wenigstens in der ersten Zeit, |16| immer wieder von dem Kontrast zwischen dem jungen, runden Gesicht meines Königs und den runzligen alten der Minister frappiert.
     Es waren dies Brûlart de Sillery, der Kanzler und Ratsvorsitzende, Du Vair, der Siegelbewahrer, Jeannin, der Oberintendant
     der Finanzen, und Villeroy. Alle vier waren sie über Siebzig, und Ludwig konnte sich erinnern, sie manchesmal gesehen zu haben,
     wenn er als kleiner Junge mucksmäuschenstill zwischen den Beinen seines Vaters einer langen Sitzung des Kronrates beigewohnt
     hatte.
    Seitdem hatte der Schnee des Greisenalters die gelichteten Häupter der Graubärte bedeckt, doch von ihrem Savoir-faire hatten
     sie nichts eingebüßt. Jede ihrer Runzeln sprach von langjähriger Erfahrung. Sie kannten das Getriebe, die Verfahrensweisen,
     die Aktengänge, die Präzedenzfälle. Und für Ludwig, der noch so jung war und so begierig, gut zu regieren, hatten diese uralten
     Säulen, die den Staat seit Jahrzehnten trugen, etwas wunderbar Versicherndes.
    Nach dem Tod seines Vaters hatte man ja alles darangesetzt, ihn nicht etwa auf sein königliches Amt vorzubereiten, sondern
     ihn vielmehr zu seiner Ausübung unfähig zu erhalten. Sein oberflächlicher Unterricht war oft unterbrochen und vorzeitig beendet
     worden, als er dreizehn Jahre alt war. Seine Ausbildung insgesamt war völlig unzureichend gewesen, viel lateinische Deklinationen,
     ein bißchen Kartenkunde, wenig Geschichte, keine Fremdsprachen und längst nicht soviel Mathematik, wie er gewollt hätte, denn
     er fand sie ›sehr nützlich für die Artillerie und für Befestigungen‹. Hinzu kam, daß die Königinmutter ihn zur Teilnahme am
     Kronrat, gelinde gesagt, nicht eben ermutigte.
    Ich will diese Fürstin hier keineswegs schwärzer malen als nötig, ihr starrsinniger Hochmut hatte sie von Dummheit zu Dummheit
     bis an ein so unglückliches Ende getrieben, daß es schon wieder Mitleid erregt. Aber es stimmt nun einmal und wird allerseits
     bestätigt, daß die Regentin Macht und Prunk dermaßen liebte, daß sie den Sohn als ihren Rivalen fürchtete, der ihr den Thron
     entreißen würde, wenn sie ihn nicht nieder, einsam und in engen Schranken hielt. Und das tat sie bar jedes zärtlichen Gefühls,
     mit einem Dünkel und einer Härte, die bei einer Frau erstaunen, und erst recht bei einer Mutter.
    Ludwig war zu scharfsinnig und zu willensstark, als daß dies |17| der Königinmutter ganz gelungen wäre, aber meines Erachtens war es ihr auch nicht ganz mißlungen. Ludwig brauchte noch Jahre,
     um das demütigende Unterlegenheitsgefühl loszuwerden, das sie ihm eingeflößt hatte.
    Das geringe Selbstvertrauen, das Ludwig am Anfang seiner Herrschaft hatte, wurde, meine ich, durch zwei Umstände vermehrt.
     Nie hatte er sein Stottern ganz überwinden können, und um

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