Rosen des Lebens
Herzog von Piemont.
Wenn Ludwig einen Gesandten empfing, bezeigte er ihm die gewissenhafteste Höflichkeit. Er erhob sich, schritt ihm entgegen
und grüßte ihn mehrmals, indem er den Hut zog, um dem Land, das jener repräsentierte, Ehre zu erweisen. Und gehörte der Würdenträger
einem befreundeten Reich wie etwa Savoyen an und hatte er ihn lange nicht gesehen, dann umarmte er ihn sogar. Und jedesmal
wenn der Gesandte ihn im Verlauf des Gesprächs mit »Seine Majestät« anredete und sich dabei verneigte, erwiderte Ludwig die
Verneigung unverzüglich. Was ihn nicht hinderte, der Rede seines Gegenübers mit aller Aufmerksamkeit zu folgen. Sein junges
Gesicht – meine schöne Leserin möge sich vergegenwärtigen, daß er noch keine sechzehn Jahre alt war –, war dann zugleich von
Ernst, Würde und Wohlwollen durchdrungen.
Keinen solchen Empfang erfuhr der Vertreter des besagten Reiches, das bekanntlich einer Monarchie, die unseren Herzen teuer
war, immer wieder zu schaden versuchte. Als der Herzog von Monteleone erschien und auf den König zuging, erhob sich Ludwig
zur Erwiderung seines Grußes nur halb vom Sitz und lüftete nur halb den Hut. Dann sagte er gleich zur Eröffnung ohne alle
Floskeln, Umschweife und Schonung, sollten die Truppen seines liebwerten Vetters das Land Savoyen weiterhin belästigen, werde
er zu den Waffen greifen und seinen Freunden Hilfe leisten.
Da stand der Herzog von Monteleone mit langem Gesicht, langen Gliedern, lang in allem, hager und steif. Nur mühsam hatte man
diesem Herrn bei seiner Ankunft in Frankreich beibringen |14| können, daß er, auch wenn er als spanischer Grande vor seinem eigenen Herrscher bedeckt bleiben durfte, vor dem König von
Frankreich das Haupt zu entblößen hatte. Verblüfft nun über Ludwigs ebenso entschlossene wie knappe Rede, wußte er sie sich
nicht anders zu deuten denn als Beweis der Unerfahrenheit, und er dachte, über einen so grünen König leicht die Oberhand zu
gewinnen.
»Sire«, sagte er, »dies kommt für mich so unerwartet, daß ich mich enthalten werde, meinem König zu schreiben, der König von
Frankreich habe die Absicht, zugunsten Savoyens zu den Waffen zu greifen.«
Ich stand hinter Monsieur de Villeroy, der hinter dem Lehnstuhl Seiner Majestät stand, und konnte deshalb Ludwigs Miene nicht
sehen, als er antwortete. Aber am Klang seiner Stimme hörte ich, daß er die Herablassung, die aus den Worten des Gesandten
sprach, als verletzend empfand.
»Monsieur«, sagte er kühl, »schreibt nur immer, daß die Kämpfe um des allgemeinen Friedens willen einzustellen sind, oder
ich eile Savoyen, das meiner Krone untersteht, zu Hilfe.«
Dieser Erklärung folgte ein Schweigen.
»Wenn Eure Majestät es so wünscht«, sagte der Herzog von Monteleone mit einer Verneigung, doch ohne seine Hoffart aufzugeben,
»werde ich schreiben, was sie mir meinem König zu schreiben befiehlt, aber ich bedaure, daß Eurer Majestät zu einem solchen
Entschluß geraten wurde.«
Auf diese kaum verhüllte Unverschämtheit hin straffte sich Ludwig und erwiderte, ohne die Stimme zu heben: »Dazu, Monsieur,
rät mir einzig meine Pflicht.«
Und mit eisiger Stimme setzte er hinzu: »Ich habe Euch meinen Willen gesagt. Unterrichtet Euren Herrn davon und sucht Monsieur
de Villeroy auf, er wird Euch meine übrigen Intentionen mitteilen.«
Dies war das erste und letzte Mal, daß Herr von Monteleone dem König von oben herab zu kommen versuchte. Nicht daß er dumm
war, er hielt nur, weil er unter der Regentschaft wenig in Ludwigs Nähe gekommen war, noch an der Version von dem ›höchst
kindischen Kinde‹ fest, die seine Mutter in die Welt gesetzt hatte. So kam es, daß die Audienz vom vierundzwanzigsten April
1617 ihn unversehen traf und sprachlos machte. Dennoch, von seiner eigenen Unfehlbarkeit eingenommen wie |15| Diplomaten oft, blieb er überzeugt, daß die Vaterschaft des Staatsstreiches nicht dem König zukam, sondern Monsieur de Luynes
und seiner Umgebung. Nun, daß dem nicht so war, kann ich als einer der Verschworenen um Ludwig bezeugen. In unseren geheimen
Versammlungen wußte der arme Luynes, ein so reizender Mensch und eine solche Memme, immer nur die Flucht vorzuschlagen. Wäre
es nach ihm gegangen, lebte Concini noch und säße die Regentin immer noch auf dem Thron.
Gegen Spanien nun begnügte sich Ludwig nicht mit einer Drohung. Ungesäumt entsandte er Truppen unter dem Befehl von
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