Rosen für Apoll
dessen Kapitulation nach zweijährigem heldenhaften Widerstand in diese Zeit fiel.
Der Krieg hatte Formen angenommen, die ungriechisch waren. Belagerungen, Verschanzen, Wirtschaftsrepressalien, Landsknechtaufgebote, Geldmacht — wohin war es gekommen! Wo war der offene Kampf geblieben? Die Schlacht, der Einsatz des Lebens, das Heldentum? Am meisten litten die Spartaner unter dieser Entwicklung. Die neue Zeit hatte sie überrollt.
425 fielen sie mit einem Stumpfsinn ohnegleichen abermals in Attika ein. Zum fünftenmal! Athen schickte daraufhin seine Flotte zum Peloponnes. Es stellte sich also wieder nicht zum Kampf.
Vielleicht waren die Spartaner diesmal entschlossen, Athen anzugreifen, aber es kam nicht dazu. Eine Alarmnachricht rief sie zurück! Die athenische Flotte war in Messenien gelandet! Nicht Sparta, aber der Leser atmet hier erlöst auf, es läßt sich nicht leugnen! Dabei ahnen Sie nicht, was ich bisher schon alles an nervtötendem Durcheinander, an Schlachten und Daten habe unter den Tisch fallen lassen. Mit diesem Abfall würde manches brave Volk über die Runden seiner Geschichte kommen. Es ist nicht anders möglich, den Gang der Ereignisse zu überblicken, als sich auf das zu konzentrieren, was den vier Abschnitten des Krieges die entscheidenden Wendungen gegeben hat. Ich rate Ihnen, sich an folgende Faustregel zu halten. Der Peloponnesische Krieg steht im Zeichen von vier Namen; er verläuft unter Perikles für Sparta, unter Kleon für Athen, unter Alkibiades unentschieden, unter Lysander für Sparta. Stichwort für den Perikleischen Abschnitt: Athen schließt sich ein, Sparta verwüstet dreimal Attika. Stichwort für den Kleonischen Abschnitt: Invasion der Athener in Messenien. An diesem Punkt stehen wir nun.
Die Invasion fand in der Bucht von Pylos statt. Sie müssen sich die Situation in ihren einzelnen Etappen so vorstellen: Die Flotte setzte die Truppen ab und segelte mit anderen Aufgaben weiter (ein unbegreiflicher Fehler übrigens), Sparta warf in Eile, indem es gleichzeitig das Heer aus Attika zurückrief, die letzten Reserven nach Pylos, die Invasionstruppe konnte sich dadurch nicht sofort ausbreiten und mußte sich verschanzen. Die Spartaner versuchten das Lager zu stürmen und verfielen, als das nicht gelang, auf den Schachzug, die kleine Insel Sphakteria zu besetzen, die die Zufahrt in die Bucht beherrscht. Der Gedanke war, die Invasionstruppen von ihrer Verbindung zum Meer abzuschneiden. Aber wie es den Leuten ergeht, die sich ein einziges Mal auf Glatteis wagen und sich in einer fremden Methode versuchen, fielen die Spartaner mit ihrem seltsamen Sperrschachzug verhängnisvoll herein. Die athenische Flotte kehrte überraschend zurück, erzwang die Einfahrt und schnitt nun ihrerseits die Spartaner vom Festland ab.
Es wird Sie überraschen, was jetzt folgte: Sparta schickte eine Friedensdelegation nach Athen! Um diesen Schritt angesichts der Tatsache, daß das Heer ja noch intakt war, zu begreifen, muß man wissen, in welcher Lage die Ephoren waren. Auf Sphakteria saß der größte Teil ihrer jüngsten Krieger, praktisch die Jugend. Die Spartiaten, noch vor einem Lebensalter neuntausend Mann stark, waren auf weniger als dreitausend zusammengeschrumpft. Was die Ephoren also zu dem raschen Schritt trieb, war die blanke Angst um das Fortleben des Blutes.
Ganz Athen war aus dem Häuschen! Man schwelgte in der Vorstellung — nicht des geruhsamen Friedens, o nein — , in der Vorstellung ungeheurer Summen, Länder, Repressalien, Beute, die man herausschlagen würde. An allen Straßenecken standen die Menschen beisammen und malten sich das künftige Schlaraffenland aus. Infolgedessen stellte Kleon den Gesandten Forderungen, die einfach wahnsinnig waren. Die Unterhändler sahen sich außerstande, dazu etwas zu sagen, da warf Kleon sie hinaus. Nicht allerdings, ohne die sechzig Schiffe, die die Spartaner als Kaution für die Zeit des Waffenstillstands »hinterlegt« hatten, zu kassieren. Es kostete ihn ein Nein und einen Eidbruch. Das war billig.
Und die Götter?
Ah — die Götter! Welch überraschende Frage! Sie erkundigen sich nach den homerischen Göttern? Sehen Sie: Das ist eine wunderbare Reaktion. Sie muß hier kommen, wenn man Griechenland liebt. Aber ich kann die Frage nicht beantworten. Bei Herodot finden sich noch zahlreiche Stellen, wo die Athener sich scheu nach den Göttern umsehen; bei Thukydides keine. Die Athener konnten jetzt leicht in Wut geraten, wenn man sie im
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