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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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ehemaligen Admiral der Volksregierung, Thrasybul, und durch Sparta selbst: Es setzte wieder einen »Rat der Fünfhundert« ein.
    Die Ephoren scheinen um diese Zeit einen Entschluß von weittragender Bedeutung gefaßt zu haben: Sparta begann, sich auf seine alte Machtsphäre, den Peloponnes, zurückzuziehen. Die Garnisonen verschwanden, die Besatzungen zogen ab.
    So war man also in Athen wieder unter sich. Ein bißchen ärmlich freilich, aber mit einem ungewohnten weiten Blick, seit es keine Mauern mehr gab, und mit einem überraschenden Hang zur Arbeit, seit man sich selbst ernähren mußte. Sokrates zog wieder durch die Stadt und fiel den Leuten auf die Nerven. Er war jetzt nahe siebzig, ging ein bißchen gebückt und hatte der Liebe abgeschworen. In seiner Begleitung sah man oft einen fünfundzwanzigjährigen Mann aus altem patrizischem Hause, Platon mit Namen, der soeben seine sämtlichen Tragödienmanuskripte verbrannt hatte, um, wie Sokrates, nur der Philosophie zu leben. Sagte er. Andere behaupteten, er hätte gern ein Staatsamt gehabt, aber man gab ihm keines. Er sollte es nicht zu bereuen haben, er wurde Griechenlands größter Philosoph und einer der größten Ethiklehrer der Welt überhaupt, und wenn man von Schlachten und Schlachtenlenkern schon längst nichts mehr wissen wird, dann wird man immer noch den Namen Platon kennen. Er war es, der die Gedanken der Griechen zum erstenmal auf eine Unsterblichkeit der Seele lenkte.
    Um diese Zeit setzte die geistige Wirkung Athens, die Ausstrahlung seiner Kunst und Philosophie in die Welt ein — wie so oft dann, wenn Staaten darniederliegen. Wer glücklich ist, fühlt; wer unglücklich ist, denkt. Jetzt, gerade jetzt, wo ganz Hellas sich anschickte, von der Bühne des Welttheaters abzutreten, begann der griechische Geist, gipfelnd in den athenischen Künstlern und Denkern, seinen Siegeszug. Was die Geschlechter in Jahrhunderten hervorgebracht hatten, die großen Gesetzgeber, Bildhauer, Dichter, Historiker, Baumeister, Philosophen, das erschien nun zum erstenmal (rückblickend, ein böses Zeichen!) als ein gigantisches, geschlossenes Ganzes. Draußen, bei den »Barbaren«, bei den Persern, Phönikiern, Thrakern, Makedoniern, Etruskern, Römern, Karthagern, Ägyptern wurde das Wort »Hellas« zum Sinnbild von Schönheit und Geist, zum Synonymon für Kultur.
    Das Schicksal pflegt eine Nation immer dann zum »Volk der Dichter und Denker« zu ernennen, wenn es ihr einen Trost für die Tatsache spenden will, daß es mit ihr eigentlich aus ist; denn das ist die allseits bekannte Weisheit des Geschicks, daß es die Güter gerecht verteilt: Die einen strahlen, die anderen sind reich. Hellas also strahlte, der Reichtum lag jetzt »draußen«, vor allem bei den Persern.
    Perser! Sehen Sie, so habe ich Sie auf die natürlichste Weise dahinüber geleitet, wohin ich Sie haben mußte; denn — so werden Sie sich aus der Schulzeit erinnern — jetzt folgt jenes merkwürdige Ereignis, das alle, die etwas auf sich halten, so oft im Munde führen: Xenophons Anabasis.
    Approximativ handelt sich’s hier um zehntausend Griechen, die irgendwo in Asien aus einem nicht ganz klaren, offenbar aber traurigen Grunde einen wochen-, wenn nicht gar jahrelangen Fußmarsch unter größten Entbehrungen von irgendwoher nach irgendwohin, wahrscheinlich nach Hause, unternommen haben. Anabasis, mit der bekannten Betonung auf dem zweiten a, heißt »Hinaufmarsch«, was die Sache wieder etwas unklar macht. Und Xenophon ist ein griechischer Geschichtsschreiber.
    Xenophons Bericht von der »Anabasis«, zu seiner Zeit ein Volksbuch, heute nur noch ein Schlagwort, handelt von einer Begebenheit, die — wissen Sie was, ich werde sie Ihnen doch lieber nicht erzählen; sie hat auf die griechische Geschichte keinen Einfluß gehabt, und sie lenkt nur ab.
    Friede also lag über Hellas. Aber man kann sich an Kämpfen, Sterbensehen und Sterbenlassen leicht gewöhnen; so kommt es, daß wir zehntausend brotlos gewordene griechische Söldner, die den Krieg nicht lassen können, bei der »Anabasis« wiederfinden, und so kommt es, daß Athen in diesen Friedensjahren Sokrates hinrichtete und nichts dabei fand.
    Ja, meine Freunde, es fand leider wirklich nichts dabei, es war ein x-beliebiger Fall, und wir wollen Athen keinen Vorwurf machen. Wenn das Prinzip der Egalité bei einer Volksherrschaft einen Sinn haben soll, dann hatte das Volk recht. So ist das nämlich.
    Die Nachwelt aber hat den Tod des Sokrates als eine der

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