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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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nicht, als er ankam! Da lag eine spartanische Flotte und sperrte die Meerenge.
    Ja, da waren die Stehaufmännchen wieder. Tag und Nacht hatten die Werften gearbeitet; es war die letzte Anstrengung, der letzte Jeton, den Sparta noch setzen konnte. Die Hoffnung ruhte auf zwei Augen, die jetzt von Bord des Admiralsschiffes die Ankunft der Athener lauernd beobachteten: auf Lysander. Es wird ewig unklar bleiben, ob die Ephoren, als sie ihn hierher an das »Ende der Welt« schickten, gewußt haben, daß sie einen jungen Gott entdeckt hatten, einen jugendlichen Gott von jener Art, wie Zeus sie gelegentlich auf Reisen »schuf« und dann gleich in Pension auf Erden ließ, ein etwas unheimliches Schlüsselkind. Lysander war in vieler Beziehung die Übersetzung des Alkibiades ins Spartanische: mit den Göttern auf verwandtschaftlichem Fuße, egozentrisch, rücksichtslos, schwindelfrei, im ganzen eine unwirkliche Erscheinung, ein Gast unter den Menschen. Was ihm fehlte, war die Alkmaionidenperfidie, die Spielerleidenschaft, der Zynismus; was er vor Alkibiades voraus hatte, war seine Hingabe an den spartanischen Kosmos und sein archaischer Geist. Sparta hat ihm später tatsächlich Altäre erbaut. Er war der eine, der Ersehnte, der den Peloponnesischen Krieg beendete. Wir stehen gerade davor.
    Diese letzte Schlacht, »an den Ziegenflüssen« (Aigospotamoi), die eigentlich gar keine Schlacht, sondern eine überdimensionale, befreiende Ohrfeige des Schicksals war, nahm einen Verlauf, wie ihn ein Odysseus nur in seiner besten Stunde erlogen hätte.
    Die Athener legten sich Lysander gegenüber an das thrakische Ufer nahe der Einmündung der »Ziegenflüsse«. Man blieb in Alarm, denn in die Spartaner war Bewegung gekommen. Ihre Schiffe fuhren in Kampfordnung auf. Alles spielte sich greifbar nahe vor den Augen ab; die Entfernung betrug nur ein paar Bogenschüsse.
    Aber Lysander, unbelastet von jeglicher Kenntnis klassischer Seekriegführung, ließ es damit, entgegen allen Regeln der Kunst, genug sein.
    Am nächsten Tage rauschten die spartanischen Schiffe abermals in Schlachtreihe auf. Konon gab Alarm, aber wieder geschah nichts. Die Athener versuchten zu locken; sie rutschten etwas näher heran — Lysander rührte sich nicht. Bei Sonnenuntergang gingen alle wieder schlafen.
    Das Manöver wiederholte sich am dritten Tage mit stupider Eintönigkeit. Konon bot abermals die Schlacht an, Lysander reagierte nicht.
    Die Athener, bereits von unwiderstehlichem Lachreiz gekitzelt, zogen sich zur Küste zurück. Die Kommandanten gingen an Land — keine Provokation schien die Spartaner reizen zu können.
    An diesem Tage näherte sich vom Landinnern her ein Reiter. Er hielt in einiger Entfernung des athenischen Lagers und musterte das Bild, dann ritt er vollends heran. Es war Alkibiades.
    Er kam wie ein Nachbar zu Besuch. Die Kommandanten, unschlüssig, wie man sich in einem solchen Falle benimmt, sahen ihm schweigend entgegen.
    Er war, wie früher, von freundlich-leichtfertiger Art und sprach sie ohne Verlegenheit an. Er deutete in die Runde und meinte, das sei eine schlechte Kampfposition. Er zählte den Herren die Fehler und Mängel auf und gab den Rat, etwas weiter südlich zu gehen und ihrerseits die Meerenge zu sperren. Als er ihnen mit milder Stimme versicherte, daß hier überhaupt nur einer, nämlich er, siegen könne, fanden die Kommandanten die Sprache wieder und forderten ihn auf, das Lager zu verlassen. Das tat er. Wie er gekommen war, ritt er davon.
    Der fünfte Tag brach an, die spartanische Flotte gab ihre gewohnte Galavorstellung; Konon bot, wie gewohnt, den Kampf an, Lysander lehnte, gleichfalls wie gewohnt, ab. Die Athener, keineswegs geneigt, dem anscheinend unfähigen Gegner die Initiative abzunehmen, kehrten zum Ufer zurück. Wie es sich für regierende Volksgenossen gehörte, war die Disziplin bereits im Schwinden; die Alarmbereitschaft wurde als Witz aufgefaßt, es schien das Natürlichste von der Welt, die Posten zu verlassen und sich an Land die Beine zu vertreten. In diesem Augenblick griff Lysander an! Die Segel flogen auf den spartanischen Schiffen hoch, die Ruderreihen rauschten, im Nu waren die paar hundert Meter durchfahren. Die Athener, von Entsetzen gelähmt, sahen zu, wie ihre unbemannten Trieren geentert, wie die Wachen niedergemacht, wie an den Flügeln Truppen gelandet wurden und der Ring sich schloß. Zeus hatte das endgültige Urteil gesprochen.

    120 Schiffe fielen unversehrt in die Hand der Spartaner,

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