Rosen für Apoll
Und doch ging die Sache ganz einfach vor sich. Alkibiades, ohne einen Blick auf den immer noch vor Athen liegenden König Agis zu werfen, machte sich nun auf, Ionien zurück zum Gehorsam zu bringen. Hundert Trieren, alles, was Athen besaß, stachen in See; am Bug des Admiralsschiffes träumte der Alkmaionide von seiner Sternstunde.
Er hat Athen nie wiedergesehen.
Die Spartaner bereiteten ihm eine böse Überraschung. Als er bei Ephesos landen wollte, fand er den ganzen Hafen vollgepfropft mit neuen Kriegsschiffen!
Sie ahnen, was jetzt kommt. Sie ahnen falsch. Es folgt etwas ganz Banales. Die Flotte legt sich in der Nähe an den Strand, und Alkibiades macht zwecks Gelderpressung einen mehrtägigen Abstecher; die Spartaner stoßen einmal kurz zu und versenken fünfzehn Schiffe; Kapitän Konon eilt nach Athen und verpetzt die »Niederlage«; das Volk, nun endgültig auf dem Wege zum reinen Jakobinertum, setzt den »Retter des Vaterlandes« sofort ab; Alkibiades hört das, packt seine sieben Sachen, sagt den Matrosen Adieu und fährt mit seinem Flaggschiff für immer und ewig davon.
Dümmer und belangloser konnte sich dieser Mensch nicht verabschieden. Er, von dem man erwartet, daß er in einer grünen Stichflamme verzischen würde, trat ab wie ein Zauberer, der mit bürgerlichem Namen Meier heißt, sang- und klanglos.
Ein einziges Mal noch werden wir und die Athener ihn wie einen Schimmelreiter vorüberhuschen sehen. Dann verschwindet er im dunkeln. Ein paar Jahre später wird sein Tod gemeldet: Irgendwo in Asien ist er »auf Wunsch der Athener« ermordet worden.
Das Spiel ist aus, und wir bleiben mit einem schalen Gefühl vor der leeren Bühne zurück. Obwohl mir die Gestalt des Alkibiades (zu spät in der Geschichte, viel zu spät, um unserem Urteil zu entgehen) von Herzen zuwider ist — er war ein Grieche, er hätte vor Troja liegen können, Klytemnästra hätte ihn geliebt und Homer ihn besungen. Er war, wie es sich für einen Griechen gehört, ein Sohn der Unvernunft, ein Enkel der Hybris, ein Pirat des Lebens. Solche Menschen, auch wenn sie gehaßt werden, lassen ihr Leben als Ballade, als Sage zurück. Wenn sie abtreten, verschwindet ein Alptraum, aber auch der Mittelpunkt aller Gedanken. Die Szenerie wird plötzlich fahl, lautlos und frostig wie vor einer Sonnenfinsternis.
*
Der Peloponnesische Krieg ist in das letzte Stadium getreten. Sparta (König Agis lag immer noch vor Athen) schrumpfte mehr und mehr zusammen, es fraß sich auf in Disziplin, Darben, Entbehren und Opfern. Korinth kämpfte gegen den Zusammenbruch seines Handels, Megara hatte ihn hinter sich; Platää war eine Ruine, Theben lebte in ewigem Ausnahmezustand. Athen näherte sich dem atropinalen Delirium. Natürlich ist man heute viel zu dezent, um diese Erscheinung als das zu titulieren, was sie war: die Hysterie der Kommune. Es war die unnatürlichste, die fremdartigste Fehlleistung der griechischen Seele. Athen muß um diese Zeit abscheulich gewesen sein.
Alkibiades war weg. Kapitän Konon, der »Petzer«, wurde Admiral und trug mit den Spartanern das noch fällige Scharmützel zur See aus (406 bei den Arginusen). Er nannte es einen Sieg, vielleicht war es einer; aber viertausend Athener waren dabei ertrunken! Der Plebs (ich hätte beinahe gesagt, der »Berg«) zeigte sein wahres Gesicht; die Kapitäne wurden angeklagt, nicht genug für die Rettung der Ertrunkenen getan zu haben. Das Volk als Haufen Privatleute, die nur an den Tod ihrer Angehörigen dachten, pöbelte sie an. Ohne ein Gericht zu bilden, verurteilte man die Kapitäne zum Tode und richtete sie hin. Unter ihnen befand sich auch — welche Delikatesse — der junge Perikles, Sohn der Aspasia. Es war ein Tag wie unter Robespierre.
Eine einzige Stimme hat sich damals gegen den Plebs zu erheben gewagt: Sokrates, in jenen Tagen zufällig Prytane, turnusmäßiger »Regierungsrat«. Man hat ihn mit dem Ruf, das Volk sei die höchste Instanz und an keine Gesetze gebunden, niedergeschrien.
Während des ganzen nächsten Jahres waren die athenischen Schiffe zu keinem anderen Zweck unterwegs, als auf Kreuz- und Querfahrten in kleinen ionischen Küstenorten zu morden und zu plündern und mit dem erbeuteten Geld und mit Nahrungsmitteln daheim die zweihunderttausend Mäuler zu stopfen. Im August (405) kamen plötzlich die Getreideschiffe aus dem Hellespont nicht mehr an. Hochnervös jagte Admiral Konon mit sämtlichen hundertachtzig Kriegsschiffen hinauf.
Er traute seinen Augen
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