Rosen für Apoll
52 wurden in Grund gebohrt, 8 entkamen, auf einem davon befand sich Admiral Konon, der »Petzer«. Dreitausend Athener überlebten den Kampf und gerieten in Gefangenschaft. Lysander ließ sie noch an Ort und Stelle hinrichten, zur Vergeltung für die athenischen Grausamkeiten in Ionien. Der Peloponnesische Krieg war beendet. Hilflos, ohnmächtig zur See und zu Lande, lag der einstige Koloß Athen da und erwartete mit Bangen den Sieger.
Ende April 404, während König Agis mit dem Heer gegen die Tore der Stadt vorrückte, fuhr Lysander in den leeren Piräus ein. Das Friedensdiktat Spartas fiel maßvoll aus. Korinth und Theben, die beiden unversöhnlichen Hasser, forderten die Vernichtung Athens zu Staub und Asche. Sparta, das böse, harte Sparta, gedachte der Thermopylen und Platääs, es sah die strahlende Akropolis, es erinnerte sich des Leuchtens, des Blühens der Stadt, an Pheidias, Aischylos und Sophokles und brachte es nicht fertig, Athen von der Erde verschwinden zu lassen.
Es sah auch in die Augen dieses jämmerlichen Plebs, dessen letzte Großtat noch die Hinrichtung ihres Robespierre, des Klempners Kleophon, gewesen war; es sah nichts als Todesangst. Da schenkte es ihm das Leben.
Die einzigen Forderungen waren: Schleifung aller Mauern, Rückgabe alles erpreßten Besitzes, Aufgabe aller fremden Territorien, Abschluß eines Gefolgschaftspaktes mit Sparta, Besetzung der Akropolis.
Ein Jubeltag für die halbe griechische Welt! Erst spätere Zeiten sahen ein, daß sich in diesem Kriege nicht nur Athen zugrunde gerichtet hatte, sondern eine ganze Schöpfung: die griechische Polis.
Sparta war nach 27jährigem Ringen der Sieger. Hatte es für die Zukunft eine bessere Idee?
Gibt es Sieger, die eine haben?
...ist es endlich so weit, daß man den Griechen »für das Gesamtwerk«, wie es so schön heißt, den Nobelpreis verleihen kann — sie sind alt und pensionsreif geworden. Natürlich merken sie selbst nichts davon, und es ist auch tatsächlich erstaunlich, wie frisch und unverdrossen die Athener noch ihren Sokrates hinrichten.
Mit Recht könnte hier der Bundesbürger fragen: Wieso muß ein Volk eine Idee haben, wir haben ja auch keine? Und in der Tat würden Kulturgüter wie Zervelatwurst und bezahlter Urlaub als Daueridee vollkommen genügen, wenn es nicht immer irgendwo junge Völker gäbe, die sich daraus nichts machen, ja sogar diesen Dingen gegenüber ganz ehrfurchtslos sind und nur darauf warten, über den Zaun steigen zu können. (Um dann ebenfalls beim bezahlten Urlaub zu enden; aber das wissen sie noch nicht.)
Die Spartaner waren insofern ausgesprochen kluge Leute, als sie ahnten, daß das Auto für jedermann immer das Ende vom Liede ist. Sie propagierten daher weiter das Gehen und ihre Schwarze Suppe. Mit anderen Worten: Ihre Idee war, die alte Zeit zu erhalten.
Diese Idee ist schön. Aber was ihre Originalität anlangt, so ist sie etwa vergleichbar dem Vorsatz, immer dreißig Jahre alt zu bleiben.
Das begreifen die wenigsten Menschen; nämlich, daß die Zeit auch für Völker vergeht. Auch wenn man die jugendlichen Kleider weiterträgt, altert man leider. Und wenn man daran etwas erkennen will, dann dies, daß Völker wie Menschen mit Anstand alt und grau werden sollen. Wenigstens das erfüllten die Spartaner.
Aber der Aufgabe, die griechische Welt in Ordnung zu halten, waren sie nicht gewachsen. Die Macht war hundertfünfzig Jahre zu spät gekommen.
Kurios ist nur, daß einige Historiker immer wieder behaupten, Athens Attischer Seebund perikleischer Fasson sei dagegen eine konstruktive Idee für Hellas gewesen. Ich weiß nicht — er war wohl eher das, was Geschäftsleute eine »famose Idee« zu nennen pflegen. Ich erwähne das Ganze auch nur, weil ich sehe, daß alle Geschichtswerke über vierzehn Mark achtzig es tun.
Viel näher liegt die einfache Frage: Wie ging es weiter? Schlecht. Nicht gleich, aber bald.
Die Verfassung, die Athen jetzt hatte, war ein Novum: Ein Direktorium von dreißig Männern herrschte diktatorisch. Ihr Wortführer war Kritias, ein Mann von Bildung, Kultur und Begabung, der nur einen Fehler hatte, im medizinischen Sinne etwas irre zu sein. Er riß bald die Macht an sich, die nun infolge der pathologischen Sprunghaftigkeit seines Geistes zu einer Schreckensherrschaft ausartete. Beständig »säuberte« er. Innerhalb eines Jahres fielen fünfzehnhundert Mitbürger dem Scharfrichter zum Opfer.
Die Erlösung von Kritias und seinen Trabanten kam durch einen
Weitere Kostenlose Bücher