Rosen lieben Sonne
eine ganz besondere Scotchsorte namens King William IV aufschwatzen, von der ich noch nie etwas gehört hatte, und wahrscheinlich auch niemand in ganz Schottland. Ich gönnte mir einen langen, schmachtenden Augenblick vor dem Käfig mit den jungen Airedale-Terriern im Fenster von Patty’s Pets an der Victory und bemerkte auch, daß die Swedenberg Cafeteria nebenan als Mittagstisch Gulasch mit Nudeln im Angebot hatte.
Das Kino im nächsten Block hatte den Pornoklassiker Der Teufel in Miss Jones (Vorprogramm: Die wählerische Schülerin) um eine Woche verlängert. Ich schlenderte an Clark’s Classic Cars vorbei, wo drei blaue Bugattis im Ausstellungsraum standen. Ich winkte Mr. Lubinski von der Juwelierssippschaft durch sein Gitterfenster zu; kaufte gegenüber bei Mrs. Martel ein Päckchen Büroklammern; begegnete einem Penner, der vor der Corner Bar die Mülltonnen durchwühlte; hörte lautes Sirenenheulen und konnte beobachten, wie ein Feuer im zweiten Stock eines Bürogebäudes gelöscht wurde; wurde Zeuge, wie ein Bulle aus seinem Streifenwagen heraus zwei Jungs provozierte und wie zwei andere Jungs eine alte Dame piesackten; traf einen Typen, der mit seinem Taschentuch redete und versuchte instinktiv, mir einen Jungen in einer Windjacke zu schnappen, der mit weit aufgerissenen Augen an mir vorbeirannte. Er entwischte mir. Eine Minute später keuchte ein Mittdreißiger in einem zerknitterten Anzug auf mich zu und fluchte.
»Hab ihn nicht erwischt«, sagte ich. »Was hat er geklaut?«
»Na, scheiß Danke auch«, sagte der Mann und starrte mich haßerfüllt an.
An der Kreuzung Victory/Splendido wurde eine alte Lady in einen Krankenwagen verfrachtet. Offenbar war sie angefahren worden, denn quer auf der Straße stand ein alter Chevy, und ein Polizist unterhielt sich mit einem bleichgesichtigen dicken Mann, der vermutlich der Fahrer war.
An der Ecke Splendido/Mason lag eine tote Katze im Rinnstein. Zwischen Mason und Lexington standen wie immer ein halbes Dutzend herrenlose Fahrzeugwracks am Straßenrand. An der 17. Straße bellte mich ein Hund an. Ich bellte zurück. Er auch. Der Ausverkauf wegen Geschäftsaufgabe von Lou’s Haus- und Eisenwaren ging jetzt in den elften Monat. Ein hübsches, junges und total zugedröhntes Mädchen ging mit einem Schwarzen spazieren und fragte mich freundlich, ob sie etwas für mich tun könne. Nein, danke, entgegnete ich. Ein Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, das viel zu jung war, um überhaupt alleine herumzulaufen, stand am Straßenrand.
»Gehen Sie mit mir über die Straße?« fragte es. Das tat ich.
»Danke«, sagte es.
»Gern geschehen, Kleine«, sagte ich und sah ihr nach, bis sie in einem Obstladen verschwand.
Auf dem Rückweg zum Büro machte ich noch einen Abstecher zu Seconds, einem Schrott/Antiquitäten-Second-Hand-Möbel/Gebrauchtbücher-Laden, wo ich einige Nettigkeiten mit Len, dem Besitzer, austauschte und zwei Adelsromane für meine Mum sowie ein halbes Dutzend Krimis für mich und einen Aschenbecher in Form eines Lippenpaares für Evonne kaufte.
»Kann ich mal dein Telefon mißbrauchen?« fragte ich Len, nachdem ich ihm drei Dollar und fünfzig Cents für meine ganze Beute rübergeschoben hatte.
»Warum nicht?« sagte er. »Obwohl das bis jetzt noch niemand getan hat.«
Diesmal war Mrs. Summers da. Ich unterrichtete sie über meine Winkelzüge in der »Wie ärgere ich meinen Mann?«-Kampagne, die sie mit schallendem Gelächter quittierte. Schallendes Gelächter, kein mädchenhaftes Gekicher, und völlig undamenhaft. Im Gegenzug verriet sie mir, daß sie gegen acht ausgehen wollte, vielleicht auch früher, wenn der Babysitter früher käme. Ich bat sie, um Punkt acht Uhr zu gehen und unsere Uhren zu vergleichen. Ich bat sie weiterhin, sich keine Sorgen zu machen, wenn sie mich nicht sähe, ich würde schon irgendwo herumhängen und mich nicht verspäten.
Und tatsächlich fuhr ich sogar schon kurz nach sieben zum ersten Mal an ihrer Einfahrt vorbei. Vorher war ich zum Büro zurückmarschiert, um meinen Wagen zu holen, nach Hause gefahren, hatte meinen alten Körper gebadet und gesalbt, mit Mum telefoniert, süßen Liebesschmus mit meiner Süßen ausgetauscht, mich ordentlich angezogen, mir ein Schinken-Käse-Sandwich reingezogen, den Durst mit zwei schwächlichen Ginger-Brandys in die Flucht geschlagen, ein paar Sachen aus meinem Schlafzimmerschrank geholt und war quer über die Hills nach West Hollywood zu Sylvia Summers’ wanzenfreiem Apartment
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