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Rosen lieben Sonne

Rosen lieben Sonne

Titel: Rosen lieben Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David M Pierce
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sagte, sein Vater würde gern ein paar Worte mit mir wechseln, ob ich zu ihm rüberkommen könne. Ich hätte gern noch ein bißchen weitergeballert mit Jim, der mich dann allfällig gefragt hätte, ob ich nicht sagen wir mal am Donnerstag bei ihm vorbeikommen könne, wenn ich nicht schon was anderes vorhätte, dann könnten wir ein bißchen weiterspielen und uns ein paar Lügen erzählen und ein paar Dos Equis wegtrinken, und wenn’s kein Umweg wäre, könnte ich vielleicht Tuesday abholen und mitbringen; die kann mit Bällen rumspielen, das glaubst du nicht.
    Na ja, »you can’t always get what you want«, wie so ein Breitmaul mal so wahr bemerkt hat. Ich glaube, es war Paul McCartney. Ich würde also nicht am Donnerstag bei Jim vorbeikommen oder erfahren, wie Miss Weid mit Bällen hantieren konnte. Nächstes Mal vielleicht. Jedenfalls bedankte ich mich bei Jim für die Spiele, riet ihm, noch ein wenig an seinen langen Stößen zu feilen, und ging zurück in die Halle und in Lews Bude.
    Der Chief saß in Lews Stuhl hinter dem Schreibtisch, den Rücken dem Raum zugewandt, ein Glas in der Hand, während Lew auf und ab ging und irgendwas erzählte und mit beiden Armen auf und ab wedelte. Er hörte damit auf, als ich hereinkam und sagte: »Chief, das ist der Kerl, von dem ich dir erzählt habe. Er heißt Vic und ist schwer okay.«
    Der Chief sagte nichts und rührte sich auch nicht.
    »Also, ich laß euch beide jetzt allein«, sagte Lew und ging zur Tür. »Schreit, wenn ihr Hilfe braucht.« Er schloß die Tür hinter sich. Ich setzte mich in den Regiestuhl gegenüber dem Chief. Nach einer Minute wandte er sich um, sah mich an und sagte: »Beweisen Sie’s.«
    »Was?«
    »Was Lew gesagt hat.«
    Ich dachte einen Augenblick lang nach. Dann holte ich meine Lizenz heraus und schleuderte sie auf den Schreibtisch.
    »Das beweist, daß ich Vic bin«, sagte ich. Anschließend nahm ich den Umschlag, den ich vorhin aus dem Safe genommen hatte, und warf ihn ebenfalls auf den Tisch. »Und das beweist, daß ich schwer okay bin.«
    Er besah sich die Lizenz, dann öffnete er den Umschlag und las den Brief. Es war ein Dankschreiben von der einzigen Berühmtheit, die ich jemals näher kennengelernt hatte, wie ich bereits erwähnte. Eine Opernsängerin, die Ex-Freundin des Ex-Gouverneurs eines dieser nahezu bevölkerungslosen Staaten im mittleren Westen, eine dieser Diven, die so berühmt waren, daß sie nur noch einen einzigen Namen hatten. Ich möchte mich nicht bis unter die Haarwurzeln erröten lassen, indem ich den ganzen Brief zitiere, aber ganz beiläufig wurde darin erwähnt, daß ich tapfer, smart, diskret, keineswegs unbegabt und insgesamt ganz schön erstaunlich gewesen war, nur für den Fall, daß jemand das wissen wollte. Aber das ist eine andere Geschichte, wie die Pagliacci zu sagen pflegte.
    »Weitere Zeugnisse auf Anfrage«, sagte ich, während er las. Als er fertig war, schob er den Brief wieder in den Umschlag und gab ihn mir zusammen mit meiner Lizenz zurück. Er schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein; genaugenommen schien er überhaupt nicht sonderlich irgendwas zu sein. Er sah nicht mal so aus, wie ich erwartet hatte, daß der Chief eben aussieht. Er sah wie ein schmächtiger, müder Mittvierziger mit Falten im Gesicht und immer weniger Haar auf dem Kopf aus. »Jim« Coburn dagegen, der sah genauso aus, wie ich es erwartet hatte. Ich hatte allerdings keinen Zweifel, daß der Chief aussehen würde, wie er sollte, sobald irgend jemand »Kamera ab« riefe — und zwar mit Sicherheit überlebensgroß. An diesem Nachmittag trug er ein weißes Polohemd mit einem Alligator auf der Brust. Der Gürtel, der seine weißen Hosen hielt, hatte eine goldene Schnalle. Seine schicken Schühchen mußten ihn bestimmt hundert Eier pro Stück gekostet haben, Schnürsenkel exklusive.
    »Machen Sie weiter, Vic«, sagte er.
    Ich machte weiter. Ich erzählte ihm von Cissy, Wade, Willy, Shusha und dem Porno-King der Davenport 4420. Ich erzählte ihm von Maryanne und Connie Forbes. Ich erzählte ihm, daß Miss Forbes die Größere mir eigentlich nur eine einzige Sache gesagt hatte — ich solle bloß nie wieder meinen Schatten auf ihre Eingangstür fallen lassen. Ich erzählte ihm auch von seinem Autogramm auf der Speisekarte, Mrs. Lews abruptem Themenwechsel und Connies ätzenden Bemerkungen.
    »Wenn ich mich irre, sage ich hiermit adiós«, sagte ich. »Aber wenn ich mich tatsächlich irrte, würden Sie wohl nicht mehr mit mir reden.

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