Rosen lieben Sonne
Keine Notizen auf den Rückseiten. Soweit ich das übersehen konnte, hatte der Chief verdammt recht — diese Bilder waren Beweis für gar nichts. Verdammt, aber irgend etwas mußten sie bedeuten, was sollte sonst der ganze Aufstand?
Ich wechselte aus meinen Party-Klamotten in mein Denker-Outfit. Dazu passend mixte ich mir einen Brandy mit Ginger Ale, den Drink des denkenden Mannes. Ich schaltete die Klimaanlage ein und sah mir die Bilder erneut an, eines nach dem anderen, ganz in Ruhe. Ich entdeckte ein paar Kleinigkeiten, die mir beim ersten Mal nicht aufgefallen waren. Zum Beispiel, daß das Flugzeug auf dem ersten Bild von Air California war und daß die Stewardess hinter dem Chief blondes Haar hatte. Auf dem zweiten konnte man ein paar Passanten sehen, die den Chief verdutzt anglotzten. Auf dem dritten war es im Zimmer selbst ziemlich dunkel, aber draußen schien die Sonne. Und auf dem vierten entdeckte ich ein Gemälde an der Wand hinter dem Chief. Außerdem sah er so aus, als hätte er einen oder zwei Drinks zuviel gehabt. Na toll.
Was nun, Watson? Was wußte ich eigentlich über diese verdammten Bilder? Ich wußte, daß sie von Maryanne Forbes, Nachrichten-Reporterin, aufgenommen worden waren. Ich nahm an, daß zwei Aufnahmen in einem Hotel gemacht worden waren, zum einen, weil der Hintergrund einfach nach Hotel aussah, zum anderen, weil die Ecke, die ich von dem Gemälde erkennen konnte, nach dem schlechten Geschmack aller Hotels auf der ganzen Welt aussah — eine idealisierte Wüstenszene, die eher nach Seiden- als nach Ölmalerei aussah. Vielleicht könnte man auf einer Vergrößerung erkennen, ob das Kunstwerk an die Wand geschraubt war. Hotels schrauben ja gern alles und jeden fest.
Außerdem nahm ich an, daß Maryanne die beiden Außenaufnahmen — die Limo und das Flugzeug — als ganz normale Touristin verkleidet, gemacht hatte: ohne Perücke unerkannt in der Menge, wie jeder andere wie wild auf den Auslöser drückend, Tausende wertvolle Erinnerungsfotos schießend, voller Freude über diesen ganz geheimen Gag.
Half mir das weiter? Kein Stück. Vielleicht hatte der Chief mich belogen, als ich gefragt hatte, ob die Bilder nur zufällig kompromittierend waren, weil der Chief auf den Bildern nicht da war, wo er zu dieser Zeit sein sollte? Und hatte er nicht gesagt, daß seine Frau über seine kleine Affäre Bescheid wußte? Selbst wenn das stimmte — und wahrscheinlich stimmte es, denn, wie der Chief so richtig bemerkt hatte, sie wissen es einfach immer—, wer wußte noch, daß sie es wußte? Vielleicht handelte es sich also doch um Erpressung.
Jetzt war es an der Zeit für einen neuen Drink. Dazu spendierte ich mir eine Dose Rauchmandeln. Irgend etwas hatte ich übersehen, da war ich sicher. Jemand war bei Maryanne eingebrochen, weil er — oder sie — wußte, daß sie die Fotos gemacht hatte. Also mußte sie zu erkennen gewesen sein, als sie sie gemacht hatte. Also war sie nicht verkleidet gewesen, wenn nicht verkleidet bei ihr heißt, daß sie genau das war. Also war sie als ihr öffentliches, großes, sehenswertes, perücktes, schnippisches Selbst aufgetreten. Also konnte man daraus schließen, daß es sich um einen offiziellen oder halboffiziellen Anlaß gehandelt hatte. Konnte ich herausfinden, wo sie und der Chief in der letzten Zeit gewesen waren, zugleich — und doch nicht zusammen? Natürlich konnte ich das, schließlich war ich ein ausgekochter Schnüffler.
FOX-EX PERPLEX — CRUX: LAX, NIX SEX
WALL STREET SACKT AB
Vielleicht sagen Ihnen diese beiden großartigen Schlagzeilen nichts, aber trotzdem stammen sie aus der sogenannten Bibel des Showbiz: der >Variety<. Diese Zeitung mußte ein West-Coast-Büro haben, also warf ich einen Blick ins Telefonbuch, und siehe da! Eine halbe Stunde später führte mich das freundliche brillentragende Mädchen vom >Variety<-Empfang zu einem Stapel Zeitungen, die bis zum letzten Juli zurückreichten. Wenn ich ältere Ausgaben brauchte, solle ich ihr Bescheid geben. Ich brauche einfach nur zu pfeifen.
In der >Variety< stehen, wie jeder weiß, vor allem Geschäftsberichte, Business-News und Kritiken über Film, Theater und, genau, Variete, aber auch Klatsch und Tratsch über die Filmstars aus L. A., New York und Vegas kommt nicht zu kurz. Außerdem veröffentlichen sie eine Menge Stellengesuche von arbeitslosen Schauspielern und eine Menge Anzeigen von Schauspielern, die zwar Arbeit hatten, aber nach einer besseren Arbeit suchten, nach dem Motto:
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