Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
sie abgeführt wurde, schaute ich weg.
Erst auf dem Weg zum Ausgang fiel mir wieder ein, dass ich sie ja eigentlich retten wollte. Ich brachte Moms Auto nach Hause, verstaute mein Campingzeug und fuhr mit dem Rad zur Schule. Es war der erste Tag nach den Ferien, und ich war nicht die Einzige, die zu spät kam.
Abends in den Fernsehnachrichten lieà sich der Staatsanwalt darüber aus, wie niederträchtig Casey im Gerichtssaal gegrinst hatte. Und zwar genau in dem Moment, als er sie eine kaltblütige Mörderin genannt hatte. Das kam gar nicht gut rüber.
Kapitel 7
In den folgenden Tagen machten die anderen in der Schule einen groÃen Bogen um mich. Aber ich spürte ihre Blicke, und jedes Mal, wenn ich an einem der tuschelnden Grüppchen im Flur, im Klassenzimmer oder in der Schulkantine vorbeikam, verstummten die Gespräche. Es war, als ob sie darauf warteten, was ich als Nächstes tat. Und ich wartete wahrscheinlich auch.
In der Zwischenzeit hüllte mich der Schulalltag ein wie ein Schleier. Ehe ich michâs versah, war es, als ob es den Sommer nie gegeben hatte und als ob ich mein Leben lang nichts anderes getan hatte, als durch die Gänge der Highschool von Galloway zu hetzen.
Mein Stundenplan hatte es in sich. Ich war in einem Leistungskurs zur Uni-Vorbereitung, weil ich jedem, der es wissen wollte, erzählte, dass ich Sportlehrerin werden wollte, obwohl mir in Wirklichkeit nichts ferner lag als das. Wenn ich nicht im Unterricht saÃ, arbeitete ich in der Schulkantine an der Kasse â für eine kostenlose Mahlzeit und ein paar Dollar die Woche. Das Training für die Geländelauf-Mannschaft hatte wieder angefangen und die freie Zeit nach der Schule wurde immer knapper. Abends musste ich im Haushalt helfen und Schularbeiten machen.
Aber sosehr ich die Tage auch vollstopfte, es gab immer noch diese Lücken, die bis dahin Casey gefüllt hatte.
Dabei war es gar nicht so, dass wir in der Schule ständig zusammenhockten. Sie hatte ja auch ständig was zu tun. Sie half unserer Biolehrerin und bereitete sich auf naturwissenschaftliche Olympiaden und sonstige Wettbewerbe vor. Aber immer hielt sie nach mir Ausschau, wenn wir uns in der Pause nicht zufällig über den Weg liefen. Immer.
Manchmal stellte ich sie auf die Probe. Dann mied ich die Stellen, an denen wir uns normalerweise trafen â nur um zu sehen, ob sie wirklich daran interessiert war, sich mit mir zu unterhalten. Wenn sie mich dann ein paar Tage hintereinander nicht fand, rief sie bei mir zu Hause an oder kam vorbei, um zu sehen, ob ich vielleicht krank war oder so was. Es machte mir SpaÃ, sie so herauszufordern.
Sie kapierte nie, dass ich ein Spiel mit ihr trieb. Sie sagte immer: »Da bist du ja!«, und fing dann an zu erzählen, was an dem Tag passiert war.
Offenbar freute sie sich einfach nur, mich zu sehen.
Inzwischen frage ich mich, ob es ihr vielleicht gar nichts ausmachte, wenn ich abwesend war. Dass sie meine beste Freundin war, wusste ich ja. Aber war ich auch ihre? Es ist prima, wenn man sein Lieblingseis im Gefrierschrank entdeckt, aber wenn man keins findet, ist man mit was anderem genauso glücklich.
Ich frage mich, ob es daran lag.
Vielleicht war sie deshalb nicht böse auf mich, weil ich ihr einfach nicht so wichtig war.
24. August
3. Tag
Heute Nachmittag ist Stephanie schon wieder verschwunden.
Unsere Gruppe fordert die Neunjährigen aus Gruppe 5 zu einem Softballspiel heraus. Als wir zum Spielfeld losmüssen, ist Stephanie wie vom Erdboden verschluckt.
Aber ich weiÃ, wo sie ist.
Sie versteckt sich hinter den zusammengerollten Volleyballnetzen ganz hinten im Geräteschuppen. Sie merkt, dass ich sie entdeckt habe.
»Geht schon mal vor«, sage ich leise zu Casey. »Lasst die anderen nicht warten.« Ich sehe ihnen nach, wie sie im Gänsemarsch in Richtung Spielfeld laufen.
Dann schlieÃe ich den Geräteschuppen, setze mich auf die oberste Treppenstufe und lehne mich mit dem Rücken an die Tür. Ich genieÃe die Sonne und die kurze Zeit für mich allein.
Nach einer Weile höre ich Geräusche im Schuppen. Die Tür stöÃt gegen meinen Rücken. Ich reagiere nicht. Ich schaue nach oben und sehe, wie Stephanie ihr hübsches Gesichtchen an die Scheibe drückt. Sie sieht zu mir herunter.
Ich kann beinahe ihre Gedanken hören. Soll ich um Hilfe rufen? Mache ich die Sache damit schlimmer oder besser?
Vielleicht
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