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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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will sie nur sehen, was ich als Nächstes tue.
    Sie knallt mir die Tür noch ein paarmal gegen den Rücken.
    Â»Lass mich raus«, befiehlt sie, allerdings leise.
    Ich rühre mich nicht.
    Â»Lass mich raus«, sagt sie wieder, schon mit mehr Nachdruck.
    Â»Sobald ich Lust dazu hab«, erwidere ich.
    Â»Das geh ich sagen«, droht sie. »Du hast mich hier eingesperrt.«
    Â»Denkst du, dir glaubt jemand?«
    Kurzes Schweigen. Dann: »Du bist gemein.«
    Â»Na und?« Ich rekele mich in der Sonne wie eine Katze. »Du bist mir ja so was von schnuppe. Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst, und bleib dort, wenn du willst. Mich stört’s nicht.«
    Â»Ich schreie.«
    Â»Na los«, sage ich. »Die sind aber alle beim Softball.«
    Da hört sie auf zu reden und ich vergesse sie beinahe. Es ist wundervoll, mitten am Tag mal keine Kinder um sich zu haben.
    Ich kann sie nicht allzu lange dadrin lassen, denn das Softballspiel dauert schließlich nicht ewig. Aber beeilen brauche ich mich auch nicht.
    Nach zehn Minuten fängt Stephanie an zu heulen.
    Â»Es ist heiß hier drin. Ich falle in Ohnmacht, wenn du mich nicht rauslässt.«
    Â»Na los.«
    Ich lasse sie noch fünf Minuten drin, dann stehe ich auf und gebe die Tür frei. Langsam gehe ich in Richtung Baseballfeld. Hinter mir höre ich die Tür aufgehen. Ich höre, wie sie die Stufen hinunter zum Weg geht, albern und theatralisch aufstöhnt und zu Boden fällt. Ich drehe mich nicht um. Kurze Zeit später höre ich sie aufstehen. Als wir beim Spielfeld ankommen, rennt sie schon vor mir her.
    Casey sieht uns kommen und winkt. Ich lasse Daumen und Zeigefinger zusammenschnappen. Sie nickt grinsend und antwortet mit derselben Geste.
    Für den Rest des Tages hält sich Stephanie von mir fern. Sie verschwindet nicht und sagt auch keinem, dass ich sie nicht aus dem Schuppen gelassen habe. Ich habe das Problem gelöst und bin stolz auf mich. In solchen Sachen bin ich besser als Casey. Ich denke darüber nach, wie es wäre, als Kinderpsychologin zu arbeiten oder vielleicht mein ganz privates Kindergefängnis zu betreiben, wo aus unerträglichen Gören Musterbürger werden. Ich werde Auszeichnungen bekommen und man wird in der Presse über mich berichten.
    Plötzlich wache ich auf. Es ist mitten in der Nacht. Stephanie steht neben meiner Koje und starrt auf mich herunter.
    Â»Dafür wirst du bezahlen«, sagt sie.
    Dann geht sie wieder ins Bett.
    Für den Rest der Nacht bekomme ich kein Auge mehr zu.
    Als ich am Freitag aus der Schule kam, lag Caseys erster Brief für mich auf dem Flurtisch.
    Ich nahm ihn in die Hand und drehte ihn unentschlossen hin und her. Immer wieder dachte ich daran, wie Casey mich im Gerichtssaal angesehen und ich ihren Blick nicht erwidert hatte. Ich fürchtete mich vor dem, was in dem Brief stand. Ich faltete ihn in der Mitte und verstaute ihn in der hinteren Hosentasche.
    Mitten in der Nacht wachte ich auf, die Anzeige meines Uhrenradios schaltete gerade auf zwei Uhr. So war es nun jede Nacht seit Caseys Verhaftung. Früh um zwei aufwachen, aus dem Haus schleichen, bis zur Erschöpfung mit dem Rad durch die Gegend fahren, bis ich endlich wieder schlafen konnte. In dieser Nacht fuhr ich raus bis zum Camp. Caseys Brief steckte immer noch in meiner Tasche, ich konnte ihn fühlen, wie er gegen den Fahrradsattel drückte.
    Die abgelegenen Straßen, die zum Camp führten, waren nahezu stockfinster in dieser Neumondnacht, und die Batterien meiner Fahrradbeleuchtung machten schlapp, kaum dass ich einen halben Kilometer von zu Hause weg war. Ich orientierte mich mehr nach Instinkt, als dass ich etwas sah.
    Im Ten Willows sind im oberen Teil, nicht weit vom Highway, die Winterquartiere. Das Sommercamp ist weiter unten. Dorthin führt ein steiler Abhang mit einer plötzlichen Kurve ganz unten. Als ich noch kleiner war, hab ich mir oft ein Handtuch um die Schultern gebunden und mich gefreut, wie es hinter mir herflatterte, wenn ich mit dem Fahrrad den Hang hinuntergesaust bin, zusammen mit Casey. Bremsen ist was für ängstliche Autofahrer und Feiglinge auf dem Fahrrad. Aber nicht für Casey und mich. Wir wussten genau, wie wir lenken und uns in die Kurve legen mussten. Und der Schwung, den wir bergab aufnahmen, reichte aus, um uns quer über die Wiese zu katapultieren, fast bis zum Speisesaal.
    In dieser Nacht machten die

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