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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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an und ihre Mutter stieß einen unterdrückten Schrei aus. Caseys Gesicht war völlig zerkratzt, ein Auge geschwollen und blau angelaufen.
    Â»Euer Ehren, was hat denn das zu bedeuten?« Die Verteidigerin sprang auf. »Meine Mandantin wurde erst vor zwei Tagen verhaftet, und zwar unversehrt. Wir fordern eine Erklärung für diesen Zustand.«
    Â»Das kann ich Ihnen sehr gern darlegen, Euer Ehren«, erwiderte der Staatsanwalt.
    Â»Derartige Erklärungen können bis nach der Vorstellungsrunde warten«, wandte der Richter ein. »Mr Jack Tesler, ich bin schon im Bilde, dass Sie die Krone vertreten. Würde sich jetzt bitte noch die Verteidigung dem Gericht vorstellen?«
    Â»Mein Name ist Mela Cross. Ich bin beauftragt, Casey White zu vertreten.«
    Â»Sehr gut«, sagte der Richter. »Und nun Mr Tesler bitte, Ihre Erklärung.«
    Â»Die Angeklagte hat einen Fluchtversuch aus dem Polizeigewahrsam unternommen, woraufhin ihre Bewegungsfreiheit unter Anwendung legitimer Polizeigewalt eingeschränkt wurde.«
    Â»Im Polizeirevier gibt es überall Überwachungskameras«, sagte Mela Cross. »Würden Sie bitte Videobeweise für die legitime Polizeigewalt vorlegen?«
    Â»Unglücklicherweise war die Kamera am betreffenden Tag in diesem Bereich defekt«, entgegnete Mr Tesler.
    Â»Na, so ein Zufall aber auch«, gab Ms Cross sarkastisch zurück.
    Â»Vor dem Gerichtssaal ist die Stimmung aufgeheizt genug«, schaltete sich der Richter ein. »Hier drinnen sollten wir doch versuchen, sachlich zu bleiben. Ms Cross, wenn Ihre Mandantin der Polizei unangemessen brutale Behandlung vorzuwerfen hat, dann ist dies über die dafür vorgesehenen Wege geltend zu machen. Mr Tesler, wenn Sie den Fluchtversuch in der Anklage festhalten möchten, dann wissen Sie, was zu tun ist. Und falls die Angeklagte nochmals Verletzungen erleidet, dann erwarte ich, dass die Kameras funktionieren. Die Aufnahmen sind mir vorzulegen, haben wir uns verstanden? Wir haben uns hier heute eingefunden, um die Klageerwiderung und die Argumente pro und contra Freilassung auf Kaution zu hören. Ms Cross, ist Ihre Mandantin bereit für die Verlesung der Anklageschrift?«
    Â»Diese Vorwürfe sind zwar allesamt völlig abwegig, aber lesen Sie ruhig alles vor.«
    Â»Heben Sie sich Ihre Einwände für später auf, Ms Cross. Die Justizangestellte wird nun die Anklagepunkte verlesen.«
    Die Mitarbeiterin erhob sich und las den Text mit deutlicher, aber total ausdrucksloser Stimme vor, als würde es sich um eine Einkaufsliste handeln. Ihre Worte hatten nichts mit meiner Freundin zu tun.
    Â»Casey Anne White wird vorgeworfen, am oder um den 21. August 2010 in der Gemeinde Galloway Stephanie Glass vorsätzlich getötet und sich damit des vorsätzlichen Mordes schuldig gemacht zu haben.«
    Â»Ms Cross, möchte Ihre Mandantin an dieser Stelle eine Schulderklärung abgeben?«
    Ms Cross sah Casey an, die mit lauter und fester Stimme antwortete: »Nicht schuldig.«
    Â»Mr Tesler, welche Position vertritt die Krone zum Thema Kaution?«
    Â»Aufgrund der schwerwiegenden Anschuldigungen und da die Angeklagte bereits unter Beweis gestellt hat, dass ein erhebliches Fluchtpotenzial besteht …«
    Dann erläuterte er in allen Einzelheiten, wie hochgefährlich Casey war.
    Während er sprach, sah sich Casey im Gerichtssaal um. Ich wusste genau, dass sie nach mir Ausschau hielt. Zuerst lächelte sie ihre Eltern an und versuchte ihnen mitzuteilen, dass sie sich keine Sorgen um sie machen sollten. Dann schaute sie zu mir. Unsere Blicke trafen sich und einen Moment lang fühlte ich mich wieder so stark wie sonst. Sie grinste mich an und ließ dann Daumen und Zeigefinger zuschnappen. Sie war jetzt die Gottesanbeterin, die dem Staatsanwalt den Kopf abbiss.
    Sämtliche Anwesenden – Richter, Anwälte, Justizangestellte, alle – verfolgten ihren Blick. Ich merkte, wie mich plötzlich alle anstarrten.
    Natürlich hätte ich zurücklächeln sollen. Ich hätte grinsen und winken und ihre Geste erwidern müssen. Was hätte ich mir damit denn schon vergeben? Überhaupt nichts. Aber ich tat nichts dergleichen.
    Stattdessen wandte ich meinen Blick ab und tat so, als würde sie jemand anders ansehen.
    Das Kautionsgesuch wurde abgelehnt.
    Casey wurden wieder die Fesseln angelegt. Ich konnte genau hören, wie die Handschellen klickten. Als

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