Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
sogar an einer wenig bewachten Stelle über die Grenze. Ich wollte sie so weit weg von Galloway bringen wie möglich. Und selber wollte ich hier auch nicht mehr bleiben.
Ich war noch gar nicht richtig wach.
Der Parkplatz hinter dem Gerichtsgebäude war halb leer, als ich in die Einfahrt bog. Ich platzierte das Auto mit der Motorhaube in Richtung Highway, damit wir nachher sofort losrasen konnten. Dann stellte ich den Motor ab, streckte mich hinter dem Lenkrad, so gut es ging, und schloss ganz kurz die Augen.
Als ich sie wieder aufmachte, war der Parkplatz brechend voll.
Ich war total verwirrt und wusste einen Moment lang nicht mal mehr, was ich hier eigentlich wollte. Aber dann sammelte ich mich und ging auf den Eingang des Gerichtsgebäudes zu.
Schon vom Parkplatz aus konnte ich die Menschenmenge hören, und als ich um die Ecke kam, sah ich sie am Eingang stehen. Manche hatten Plakate dabei: Auge um Auge, Gerechtigkeit für Stephanie â daneben war ein Galgenstrick gemalt. Es gab noch andere Varianten, aber alle trachteten nach dem Leben meiner besten Freundin.
Auch die Medien waren präsent. Vier verschiedene Fernsehsender hatten Kamerateams geschickt, die wahllos Leute interviewten. Einige von denen, die da ins Mikro plapperten, hatten null Bezug zu Casey oder Stephanie, soweit ich das beurteilen konnte.
Auch Amber Bradley flötete gerade in eine TV -Kamera und hatte sich in Schale geworfen, als wolle sie gleich über einen Laufsteg stolzieren.
»Wir haben immer geahnt, dass sie mal so was machen würde«, berichtete Amber eifrig und schüttelte dabei den Kopf, damit ihre Haare anmutig um die Schultern wippten. »Keiner von uns war richtig mit ihr befreundet. Dazu war sie viel zu abgedreht.«
Ich ging an Amber vorbei ins Gerichtsgebäude hinein.
Den richtigen Verhandlungssaal zu finden, war kein Problem, man musste nur dem Lärm folgen.
Auch vor der Saaltür stand eine Traube von Menschen.
»Warum dürfen wir denn nicht rein?«, rief jemand. »Wir haben ein Recht darauf, dabei zu sein.«
Detective Bowen stand an der Tür und bewachte sie. »Der Gerichtssaal ist überfüllt«, verkündete sie.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge. Nachdem sie mich zweimal derart in die Mangel genommen hatte, konnte sie mir ruhig mal einen Gefallen tun, befand ich.
»Kann ich rein?«, sprach ich sie an.
Ohne zu antworten, öffnete sie die Tür einen Spalt und schob mich durch. Ich lieà den Lärm hinter mir und betrat die Stille des kleinen Gerichtssaals.
Ich schob mich in eine Bank ganz hinten, neben lauter Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Ein paar Reihen vor uns erkannte ich einige Mitglieder unserer Kirchgemeinde. Caseys Eltern saÃen ganz vorn. Eigentlich hätte ich zu ihnen hingehen und sie begrüÃen müssen, aber ich tat es nicht. Stattdessen verschränkte ich die Arme und starrte angestrengt auf das Bild der Queen, das hinter dem Platz des Richters an der Wand hing.
Als der Richter hereinkam, standen alle auf, und dann setzten wir uns wieder. Danach passierte erst mal eine Weile nichts weiter, als dass wild in Unterlagen geblättert und Papiere hin und her gereicht wurden. Eine ganze Zeit debattierten die beiden Anwälte über ein bestimmtes Dokument, das sie nicht finden konnten und beim jeweils anderen vermuteten. Mit versteinerter Miene sah der Richter zu, bis alles geklärt war.
»Ist der Staatsanwalt dann so weit?«, fragte der Richter nach einer Weile.
»Ja, Euer Ehren«, antwortete ein groÃer, hagerer Mann in einem tadellos gebügelten Anzug. »Können wir Casey White jetzt bitte vorführen?«
Die Gerichtsangestellte steckte ihren Kopf durch eine Tür hinter der Richterbank und rief: »Casey White!«
Casey wurde von zwei Polizeibeamten in den Gerichtssaal gebracht. Bei ihrem Anblick stockte mir der Atem und mein Herz raste.
Caseys langes rotes Haar hing ihr wirr ins Gesicht. Ihre Hände waren mit einer Kette gefesselt, die an ihrer Hüfte hing. Und nach ihrem schlurfenden Gang zu urteilen, trug sie auch FuÃfesseln. Als sie bei der Anklagebank angekommen war, drehte sie sich zu den beiden Beamten um. Als ihr die Handschellen und Ketten abgenommen wurden, hallte das Klicken und Rasseln durch den stillen Gerichtssaal. Dann nahm sie auf der Anklagebank Platz.
Mit ihren nunmehr freien Händen strich sich Casey die Haare aus dem Gesicht. Wieder hielt ich den Atem
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