Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
nicht auf diesen Job angewiesen. Es ist kein Problem, etwas Besseres zu finden, bei dem man auch noch einiges mehr verdient und wo man Wichtigeres zu tun hat, als einem Haufen gelangweilter Gören Klatschspiele und Bibelverse beizubringen.
Triumphierend kehre ich zur Hütte zurück und stürze mich mit in die Aufräumarbeiten.
»Wo warst du denn?«, fragt mich Casey und sieht aus, als ob sie ziemlich sauer auf mich ist.
»Mich um das Problem kümmern.«
Ich nehme den Besen und fange an, neben Stephanies Bett zu kehren. Sie liegt immer noch da, kaut Schokolade und beobachtet das ganze Geschehen mit einem schiefen Grinsen im Gesicht.
»Pack schon mal deine Tasche«, sage ich leise zu ihr.
»Wieso?«
Zur Antwort grinse ich nur und kehre weiter.
Zu Beginn des Lagerfeuers am Abend kommt Mrs Keefer leise auf mich zu.
»Ich habe mit Mrs Glass gesprochen«, sagt sie. »Sie kann nicht eher zurückkommen â den Flug umzubuchen wäre zu teuer. Sie sagt auÃerdem, dass ihre Schwester keine Lösung ist â sie hat selber Kinder und die vertragen sich nicht mit Stephanie. Sie wird also bis zum Ende des Camps hierbleiben müssen. Ich habe Bones gefragt wegen der Krankenstation, aber sie meint, sie hat dort schon mehrere Kinder â einmal Hautausschlag durch Gift-Efeu und einen Magen-Darm-Infekt. Also, ich fürchte, ihr müsst mit ihr zurechtkommen. Wenn ihr denkt, es geht überhaupt nicht, schicke ich euch eine der älteren Gruppenleiterinnen, um eure Gruppe zu übernehmen, und ihr könnt zu ihrer Gruppe wechseln.«
Kommt nicht infrage. »Wir schaffen das schon irgendwie«, sage ich.
»Ich werde noch mal mit Stephanie reden. Und ich schaue bei euch vorbei, sooft ich kann.«
Damit macht sie sich auf den Weg zur Feuerstelle, um das Lagerfeuerlied »Fireâs Burning« anzustimmen.
Da höre ich eine Kinderstimme an meinem Ohr.
»Soll ich immer noch packen?«
Ich drehe mich um. Natürlich ist es Stephanie. Sie hat die ganze Zeit zugehört. Sie sieht mich nicht an. Sie beobachtet Mrs Keefer und wartet, bis die Campleiterin auf unsere Gruppe zeigt. Erst dann schlieÃt sie sich der Runde an.
Fireâs burning, fireâs burning
Draw nearer, draw nearer
In the glowing, in the glowing
Come sing and be merry.
Sie singt lächelnd mit süÃem Stimmchen, und ich frage mich, ob irgendwer sie vermissen würde, wenn ich sie in der Nacht erwürge und danach in den Fluss schmeiÃe.
Kapitel 10
Stephanies Tod beherrschte weiterhin die Schlagzeilen.
Obwohl solche Sachen â Amokläufe zum Beispiel â ja wohl öfter passieren, war die Tatsache, dass ein Kind ein anderes Kind getötet hatte, eine Sensation. Keine Ahnung, wieso. Auch Kinder können Terroristen sein. Ich glaube, das verdrängen Erwachsene und malen sich stattdessen die Kindheit immer als eine komplett fröhliche und unschuldige Zeit aus. Dabei vergessen sie aber, dass unter Kindern Sachen wie Mobbing, Schikane und Ausgrenzung genauso vorkommen. Sie können sich die Gewalt auf dem Schulhof und während der Pausen in den Fluren nicht vorstellen â da wird gerempelt und getreten und man kriegt schnell mal ohne Grund was an den Kopf.
Warum denken nur alle, dass Kinder nicht gewalttätig sein können? Kinder sind doch auch nur Menschen. Und Menschen neigen nun mal zur Gewalt.
»Insekten sind nicht zu Gewalt fähig«, meinte Casey eines Abends.
Wir saÃen in ihrem Wohnzimmer und sahen uns mit ihren Eltern die Fernsehnachrichten an. Darin wurde berichtet, dass ein Mann seine gesamte Familie umgebracht hatte und dazu noch ein Nachbarskind, das gerade zum Spielen da war. Danach tötete er noch den Nachbarn, der aufgrund der Schüsse hinübergerannt war, und nahm auÃerdem durchs Fenster die gegenüberliegenden Häuser unter Beschuss.
»Insekten sind nicht zu Gewalt fähig«, sagte Casey also. »Insekten töten, um sich zu ernähren. Aber wir Menschen töten uns ohne erkennbaren Grund gegenseitig.«
Das war Caseys Wunschtraum: dass sich die Menschen genauso vernünftig benehmen wie Insekten.
Stephanies Tod war im Moment das Thema Nummer eins.
Erstens, weil Stephanie so hübsch gewesen war.
Zweitens, weil Casey auch ganz gut aussieht â zwar nicht unbedingt hübsch im gängigen Sinne, aber doch auf jeden Fall attraktiv und mit einer starken Ausstrahlung â zumindest habe ich das
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