Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
war, aà sie nie etwas â aber was sie gekocht hatte, war eh ungenieÃbar. Die Kartoffeln waren noch halb roh und der Hackbraten zeigte nicht den Ansatz einer Kruste. Ich stellte alles zurück in den Herd, damit es fertig backen konnte, und machte mir ein Erdnussbutter-Bananen-Brot, das ich mit in mein Zimmer nahm.
Ein Anruf wie dieser war für Gerald Grey nichts Neues. Er war so klug, nicht darauf zu reagieren. Ich hatte Mom schon so oft in die Luft gehen sehen, dass ich mir keine Sorgen mehr machte. Also, eigentlich doch. Ich wusste, dass mein Dad den Arzt rief, wenn sie zu sehr am Rad drehte. Dann kam ein Krankenwagen sie abholen und sie musste ein paar Wochen in der psychiatrischen Abteilung des städtischen Krankenhauses verbringen, bekam Elektrokrampftherapie, und ihre Medikamente wurden neu angepasst. Danach war sie wieder zu Hause â ein bisschen unsicher, ein bisschen zerstreut, ein bisschen verlegen, aber ansonsten okay.
Dad und ich hatten gelernt, damit zu leben. Nach dem einen Jahr, als Mom innerhalb von drei Monaten sämtliche Ersparnisse aufgebraucht und gigantische Schulden auf ihren Kreditkarten angehäuft hatte, schränkte Dad ihren Zugang zum Geld drastisch ein, sodass sie keinen allzu groÃen Schaden mehr anrichten konnte.
Sobald es ihr wieder besser ging, setzte sie ihre Medikamente ab. In ihren Gedanken hatte sie immer groÃe Pläne. Sie wollte den Garten umgestalten, Medizin studieren oder die Dachschindeln weià streichen, um günstigere Schwingungen aus dem Universum aufzufangen. Manchmal stand sie auch an der StraÃenecke und hielt Vorträge. Aber die Leute in der Stadt kannten und tolerierten sie. Etwas Gutes lässt sich schon sagen über Galloway. Niemand hat sich jemals über Mom lustig gemacht. Nicht mal die anderen aus der Schule. Wahrscheinlich deshalb, weil deren Eltern noch komischer drauf sind als meine.
Wer Eltern hat, die nur ein bisschen komisch sind â also zum Beispiel karierte Hosen zum gestreiften Hemd anziehen â, ist hier Freiwild. Aber wenn jemand ernsthafte Probleme hat, sagt keiner was. Als Mom durchgedreht ist oder als eine andere Mutter von der Chemotherapie eine Glatze bekommen hat oder als Bruce Catskill von seinem Vater vor den Augen seiner Freunde auf dem Supermarktparkplatz mit einem riesigen Orangensaftkanister geschlagen wurde, da hat keiner gelacht. Als ob alle wussten, dass das was Ernstes war und damit tabu.
Dads Reaktion auf den Zustand meiner Mutter bestand darin, dass er so ruhig wurde, dass es kaum noch auszuhalten war. Ãber die Jahre ist er immer ausgeglichener geworden. Wäre er ein Bleistiftstrich, würde er als graue gerade Linie über das Papier verlaufen, ohne jeden Ausschlag nach oben oder unten. Mom würde dagegen mit Kringeln und Kreisen in leuchtenden Farben alle Ecken ausfüllen â und dann tiefschwarz irgendwo ganz unten weitergehen.
»Und wenn ich mal werde wie meine Mom?«, fragte ich Casey gelegentlich. »Oder wie mein Dad?«
»Und wenn du eines Morgens aufwachst und feststellst, du bist eine riesige Küchenschabe?«, war dann Caseys Antwort.
Diese Antwort tröstete mich jedes Mal ungeheuer. Manche Sachen hat man halt in der Hand und manche nicht. Im Augenblick jedenfalls war ich weder wie meine Mom oder mein Dad, noch war ich eine Schabe. Damit kam ich zurecht.
Als ich nach unten ging, um den Herd abzudrehen, saà Mom im Dunkeln.
»Hey, Jude, ich hab nie eine beste Freundin gehabt«, sagte sie. Leise hörte ich das Glas klirren, als sie sich etwas einschenkte. Es roch nach Whisky. Dad hatte nie Alkohol im Haus. Mom musste ihn also mitgebracht und vor ihm versteckt haben. »Ich hab mir immer eine gewünscht â eine Freundin, die zu mir gehört wie mein Atem und meine Haut. Aber ich hatte nie eine. Setz dich doch«, sagte sie, allerdings sanft. »Manchmal tue ich so, als hätte ich eine Freundin. Ist das nicht bescheuert? Eine Frau in meinem Alter mit einer Fantasiefreundin? Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, stelle ich mir vor, dass sie da ist, und wir lachen zusammen über die komischen Sachen, die wir so sehen. Alles ist viel lustiger, wenn man eine beste Freundin hat. Aber das weiÃt du ja selber.«
Eine Weile sagte sie nichts. Sie saà nur da und trank ihren Whisky. In der Annahme, dass sie mich vergessen hatte, stand ich auf und wollte in mein Zimmer.
»Sei deiner Freundin eine Freundin, Jude«, sagte
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