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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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immer so empfunden. Außerdem war sie eine absolute Musterjugendliche und hat alle möglichen naturwissenschaftlichen Preise abgeräumt. Auf jeden Fall wäre sie die Allerletzte gewesen, der man einen Mord zugetraut hätte. Das veranlasste die Medien natürlich zu lauter reißerischen Artikeln mit Überschriften wie »Was ist nur mit unserer Jugend los?« oder »Sitzt bei Ihnen ein Monster mit am Tisch?«
    Drittens, weil Casey im Camp Stephanies Gruppenleiterin war, was in Presse und Radio-Anrufsendungen zu heftigen Diskussionen darüber führte, wie eine Gesellschaft ihre Kinder besser schützen kann. Dabei wurde immer wieder mehr Kontrolle gefordert. Anbieter von Überwachungstechnik erlebten einen regelrechten Run auf alle möglichen Produkte, mit denen Eltern ihre Kinder jederzeit orten konnten.
    Und dann war da noch die Sache mit den Insekten. Das war schön abgefahren und exotisch und unterschied den Fall ganz klar von anderen Gewaltdelikten zwischen Kindern. Irgendein Idiot überschrieb seinen Beitrag mit »Schweigen der Lämmer in einer Kleinstadt«, weil in der Geschichte auch ein Insekt vorkommt und Casey Insekten liebte. Das war zwar kompletter Schwachsinn, aber alle fuhren darauf ab.
    Ein Journalist ließ sich detailreich über Caseys ungewöhnliches Interesse für Naturwissenschaften aus. Dass sie Insekten spannender fand als Jungs, deutete in seinen Augen auf eine tief liegende Perversion hin.
    Â»Du musst darauf reagieren!«, sagte Mom am Frühstückstisch zu mir und wedelte mit der Zeitung vor meiner Nase herum. »Schreib ihnen einen Brief. Sag, wie es wirklich war. Widersprich ihnen!«
    Je lauter sie wurde, desto mehr zog ich mich zurück.
    Und mein Vater? Der verzog keine Miene, sondern löffelte ungerührt sein Müsli.
    Das nächste Großereignis in der Stadt war Stephanies Beerdigung. Sie musste immer wieder verschoben werden, weil Gerichtsmedizin und Polizei ihren Leichnam nicht rechtzeitig freigaben.
    Der Trauergottesdienst, an dem praktisch die gesamte Stadt teilnahm, fand an einem Freitagmorgen in unserer Kirche statt. Stephanies Schulklasse – sie wäre in der Dritten gewesen, wenn sie den Sommer überlebt hätte – war vollzählig anwesend. Die Kinder legten Blumen auf den Altar, ein kleines Mädchen las ein anrührendes Gedicht vor – das übliche »Wir werden dich nie vergessen«-Zeug. Das wäre mir vielleicht sogar nahegegangen, wenn nicht genau dieses Mädchen unmittelbar vor dem Gottesdienst noch vor den Fernsehkameras posiert hätte.
    Als Mom und ich die Kirche betraten, stießen sich die Leute gegenseitig an. Und im nächsten Moment drehte sich außer Stephanies Mutter die gesamte Gemeinde um und starrte mich an.
    Â»Was glotzt ihr denn so?«, rief Mom. Ehe sie noch mehr sagen konnte, schob ich sie hastig in eine Bankreihe.
    Ich hielt Ausschau nach Caseys Eltern, konnte sie aber nirgends entdecken.
    Auch wenn Beerdigungen traurige Anlässe sind und mich Stephanies Tod natürlich betroffen machte, wurde ich im Laufe des Gottesdienstes immer wütender. Alle wollten sich dabei präsentieren. Der Kinderchor trat auf und anfangs kicherten und tuschelten die Kleinen munter herum. Erst als die Kamera auf sie gerichtet war, hielten sie schlagartig den Mund und zogen leidvolle Gesichter. Reverend Fleet stolzierte wie ein Pfau zur Kanzel und spendete anschließend den Segen so salbungsvoll, als ob er das vorher mit einem Schauspieltrainer geübt hatte.
    Das Fernsehen kann einfach alles kaputt machen.
    Aber das war nicht der eigentliche Grund für meine Wut. Die galt Stephanie, dieser Nervensäge, die sich nun auch noch hatte umbringen lassen. Ihretwegen war aus unserem letzten Jahr an der Highschool, auf das wir uns eigentlich gefreut hatten, ein Albtraum geworden. Sie war schuld daran, dass Moms Krankheit wieder schlimmer wurde und meine Freundin im Gefängnis saß. Ich fühlte mich einsam und ausgestoßen.
    Alles nur ihretwegen.
    Doch allmählich ließ mein Zorn auf Stephanie nach. Schließlich war sie ja nur ein kleines Mädchen. So anstrengend sie auch gewesen war, sie hatte ja nicht gerade darum gebeten, umgebracht zu werden. Es war Unsinn, wütend auf sie zu sein.
    Trotzdem war mein Zorn noch da, auch wenn ich ihn erst richtig spürte, als der Gottesdienst zu Ende war und wir aus der Kirche kamen.
    Gefolgt von dem ganzen Medientross

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