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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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Pfeil, der auf das Haus wies, stand in großen Buchstaben: HIER WOHNTE KILLER-CASEY .
    Ich war so geschockt, dass ich mich nicht bewegen konnte. Allein das Ausmaß der Sauerei war erschütternd. Ich starrte wie gebannt darauf, bis ein Geräusch mich aufschreckte. Vermutlich nur eine Katze auf der Suche nach etwas Fressbarem, aber ich zuckte zusammen. Verstört rannte ich zu meinem Rad und fuhr panisch davon.
    Erst am nächsten Morgen bemerkte ich, dass ich Farbe an einem meiner Turnschuhe hatte. Ich musste aus Versehen hineingetreten sein. Aber da ich nur ein Paar Turnschuhe besaß, konnte ich es mir nicht leisten, sie einfach wegzuschmeißen. Hektisch suchte ich das Haus nach Farbflecken ab, fand aber keine.
    Ich hörte die Haustür zuknallen. Mom war gerade wiedergekommen. Auch ohne zu fragen, wusste ich, wo sie herkam.
    Â»Ich hasse diese Stadt!«, schimpfte sie. »Ich hasse diese Stadt! Ich hasse diese Leute.«
    Ich ging zu ihr in die Küche, um zu sehen, ob ich sie beruhigen konnte. »Ist ja gut, Mom.«
    Sie fuhr herum. »Gar nichts ist gut. Wie kannst du so was sagen? Selbst von ihrer eigenen Kirchgemeinde werden die Whites gemieden. Die Rollstuhlrampe ist immer noch nicht wieder da. Ich hab versucht, Reverend Fleet zu erreichen, aber er geht nie ans Telefon, wenn ich anrufe. Und jedes Mal, wenn ich bei ihm im Büro oder im Pfarrhaus vorbeigehe, sagt mir die Pfarrsekretärin oder seine Frau, dass er gerade unterwegs ist. Unterwegs, ich lach mich kaputt. Unter der Kanzel wird er sich verstecken! Aber Christentum hat auch was mit Mut zu tun – er tut mir jetzt schon leid, wenn er mal vor der Himmelspforte steht.
    Außerdem bekommen die Whites inzwischen Drohbriefe. Michael White, ein Held in dieser Stadt, und Linda White, die immer für jeden da war, der sie gebraucht hat … und jetzt so was!«
    Â»Was meinst du?«
    Als Antwort nahm sie mich am Arm und zerrte mich den ganzen Weg zu ihrem Haus.
    Bei Tageslicht sah alles noch viel schlimmer aus.
    Die Cactus-Clique hatte die schrillsten und grellsten Farben genommen, die man sich vorstellen konnte. Giftgrün überall auf den roten Ziegeln. Leuchtendes Orange auf den Fenstern und der Rollstuhlauffahrt. Pink auf dem Rasen und im Garten. Und das ekelhafte Gelb auf dem Auto und der Straße.
    Gegenüber stand ein Polizeiwagen am Straßenrand. Ich entdeckte den zugehörigen Beamten ein Stück weiter unten in der Straße, wo er gerade mit einer Frau über den Gartenzaun hinweg sprach. Sie schüttelte den Kopf und sagte wahrscheinlich: »Nein, ich habe nichts gesehen.« Noch ein paar andere Nachbarn standen in ihren Vorgärten, gafften neugierig und machten ein finsteres Gesicht. Kein einziger bot Hilfe beim Saubermachen an.
    Auf dem Fußweg trocknete eine große Farbpfütze vor sich hin. Plötzlich hatte ich eine geniale Eingebung. Unter dem Vorwand, mir den Schaden genauer ansehen zu wollen, ging ich in Richtung Pfütze und trat in die noch nasse Farbe.
    Â»Pass doch auf, wo du hintrittst!«, schrie Mom auf. Hastig zog ich den Fuß zurück. Jetzt hatte ich eine Erklärung für die Farbe an meinen Schuhen. Ich war wieder auf der sicheren Seite.
    Ohne darüber nachzudenken, war mir klar, dass ich Amber und die anderen nicht verraten würde. Sie hätten problemlos behaupten können, dass ich auch dabei war, und sie waren schließlich zu sechst. Da hatte ich keine Chance. Aber das war nicht der eigentliche Grund dafür, dass ich den Mund hielt. Der eigentliche Grund war der: Wenn ich petzte, würden sie mich nie mehr ins Cactus einladen.
    Und dann wäre ich ja wieder allein.

Kapitel 14
    Danach wurde Mom richtig krank. Als das Haus der Whites verwüstet worden war, waren alle ihre Illusionen geplatzt, dass Galloway doch noch zur Vernunft kommen würde und man hier wieder in Frieden leben konnte. Sie war stinksauer auf alle und jeden.
    Obwohl, ganz stimmt das auch wieder nicht. Manchmal jobbte ich ja bei ihr im Altersheim. Und wenn sie in ein Zimmer kam und mir beim Abziehen der Betten half oder mit mir müffelnde Bettwäsche in den Wäscheraum trug, dann war sie mild und sanft wie eine Heilige. Wenn eine alte Dame vor lauter Scham weinte, ging sie zu ihr hin und konnte sie innerhalb von zwei Sekunden wieder aufrichten. Dabei war sie kein bisschen herrisch wie manche von den anderen Altenpflegerinnen, die mit den Senioren redeten wie mit kleinen

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