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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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gerade. Seit ich nachts nicht mehr durchschlafen konnte, blieb ich immer bis zur allerletzten Minute liegen. Jetzt musste ich um halb sieben aufstehen, um rechtzeitig an der Schule zu sein. Ms Simms machte keine halben Sachen. Wenn ich diese Chance nicht nutzte, hatte ich es bei ihr endgültig vermasselt.
    Die zweite Lehrerbegegnung ereignete sich, als ich gerade zum Mittagessen wollte. Zwischen meinem Dienst in der Schulkantine und der nächsten Unterrichtsstunde blieben mir genau 15 Minuten. Gerade hatte ich mich vor meinem Tablett niedergelassen, als über den Schulfunk die Ansage kam: »Jessica Harris, bitte zu Miss Burke in Zimmer 313.«
    Ich stöhnte auf, denn ich hatte null Bock auf einen weiteren Vortrag über meine nachlassenden schulischen Leistungen, aber was blieb mir anderes übrig. Eilig schaufelte ich meine Spaghetti in den Mund, kippte einen Schluck Milch hinterher und aß meinen Apfel auf dem Weg zum Bio-Zimmer, obwohl das Essen im Flur untersagt war. Die Apfelreste warf ich in einen Papierkorb, der draußen neben der Tür stand.
    Als ich reinkam, schaute Miss Burke auf. Sie war ganz blass im Gesicht. »Danke, Jessica, dass du so schnell gekommen bist.«
    Â»Alles in Ordnung?« Eigentlich fragt man das eine Lehrerin ja nicht. Wenn eine Lehrerin krank ist, geht einen das nichts an, aber sie sah so gespenstisch und verstört aus, dass mir die Frage einfach so rausgerutscht war.
    Â»Nein, Jessica, ist es nicht, aber ich hoffe, du kannst mir helfen. Mach bitte die Tür zu.«
    Meinen letzten Bio-Test hatte ich mit einer akzeptablen Zensur wiederbekommen, sodass mir nicht ganz klar war, worauf sie hinauswollte.
    Â»Komm mal mit nach hinten in den Vorbereitungsraum. Ich hab da was für dich.«
    Ich ging mit ihr in den kleinen Raum hinter dem Bio-Raum, wo diverse Geräte und anderes Zeug lagerten. Casey war die einzige Schülerin, die einen Schlüssel dazu besaß. Einmal hatte ich ihr an einem Samstag geholfen, darin aufzuräumen und sauber zu machen.
    Das Erste, was mir ins Auge fiel, waren die Glaskästen mit der großen Insektensammlung, die Casey für die Schule präpariert hatte. Mir war noch nicht mal aufgefallen, dass sie jemand von den Wänden abgenommen hatte.
    Miss Burke sah meinen Blick. »Ich dachte, die sind hier hinten sicherer, bei der gegenwärtigen Stimmung an der Schule«, sagte sie und strich mit der Hand vorsichtig über das Glas. Caseys Vater hatte die Schaukästen in seiner Holzwerkstatt angefertigt. Bei Casey zu Hause gab es noch mehr davon.
    Â»Ich unterrichte nun schon seit 43 Jahren«, sagte Miss Burke. »Und noch nie ist mir ein Schüler mit so einem ausgeprägten naturwissenschaftlichen Interesse begegnet wie Casey. Sie ist eine von den Schülern, von denen man sein ganzes Berufsleben lang hofft, dass sie einem mal über den Weg laufen. Casey hat so viel Freude am Lernen! Du bist ihre Freundin, also weißt du das vermutlich, aber ich frage mich, ob du wirklich zu schätzen weißt, wie begabt sie ist. Sie könnte eine Wegbereiterin werden, eine Jane Goodall der Insektenwelt. Aber jetzt ist da diese furchtbare Sache im Gange.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich nichts. Zu meinem großen Entsetzen fing Miss Burke an zu weinen.
    Â»Wenn du wüsstest, wie sie im Lehrerzimmer über sie reden. Lehrer sollten aufgeklärte Menschen sein, aber es hört sich an, als ob sie aus dem finstersten Mittelalter kämen. Und ich habe nichts getan, um Casey zu helfen. Einmal habe ich für sie Partei ergriffen, aber meine Kollegen haben gesagt, ich wolle doch nur mein Vermächtnis schützen – denn wenn Casey schuldig sei, würde das bedeuten, dass all die Jahre, die ich sie unterstützt habe, umsonst waren. Keine Spitzenschülerin, kein Ruhm für mich. Ich schäme mich, dass ich mich von solchen Kommentaren habe einschüchtern lassen. Was kümmert es mich eigentlich, was die anderen denken? In meinem Herzen kenne ich doch die Wahrheit.«
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sollte ich ihr die Schulter tätscheln und sie trösten? Das wäre eindeutig unangemessen gewesen, und so stand ich einfach nur da, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und fühlte mich unsagbar fehl am Platz, verlegen und wütend, dass ich in diese Situation gebracht wurde.
    Miss Burke kriegte sich auch ohne meine Hilfe wieder ein. Mit einem blütenweißen

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