Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
dabei.«
»Dann kannst du mir also nichts zu Stephanies T-Shirt sagen? Casey hat nämlich ausgesagt, dass wahrscheinlich du es in ihre Tasche gesteckt hast, weil du die Hütte aufgeräumt hast, während sie mit dem Suchtrupp unterwegs war. Deshalb möchte ich von dir wissen, ob du das Shirt in Caseys Tasche gepackt hast.«
»Natürlich hat sie das nicht getan«, erwiderte Mom. »Was hat denn Kinderkleidung in der Tasche ihrer Freundin zu suchen? Weshalb sollte sie das tun?«
»Vielleicht war es ja ein Versehen.« Die Stimme von Detective Bowen war im Vergleich zum schrillen Tonfall meiner Mutter betont ruhig. »Vielleicht war Jess ja in Eile. Möglicherweise hatte sie sehr viel zu tun und wenig Zeit dafür. Ich werfe ihr doch gar keine bösen Absichten vor. Es könnte ja sein, dass sie einfach nur nachlässig war.«
Bei dem Wort nachlässig schoss Moms Blick in meine Richtung und meine Beine fingen sofort wieder an zu zittern. Hastig setzte ich mich hin.
»Ist es so gewesen?«, wollte Mom von mir wissen. »Denn das klingt mal wieder typisch für dich.« An Detective Bowen gewandt fügte sie hinzu: »Ich finde nämlich andauernd Suppendosen im Restmüll. Der Recyclingbehälter steht direkt daneben, aber sie schafft es nicht, die Dose kurz auszuspülen und reinzuwerfen. Das dauert maximal zwei Sekunden und hilft der Umwelt. Casey â¦Â«
Ich sah, wie Dad seine Hand auf Moms Unterarm legte, damit sie aufhörte. Gleich würde sie berichten, wie Casey für die von ihr gestartete Kampagne zur Umgestaltung der Müllkippe bei der alten Unterwäschefabrik in einen Naturpark den Umweltpreis des Bürgermeisters bekommen hatte. Das wollte ich mir auf keinen Fall schon wieder anhören.
»Ist es so gewesen?«, fragte Detective Bowen. »Und ich möchte, dass du vorher genau nachdenkst. Wenn Casey verurteilt wird, weil dieses Shirt in ihrer Tasche war, und sie in Wirklichkeit unschuldig ist, dann heiÃt das, der wahre Mörder von Stephanie läuft immer noch frei herum und tötet vielleicht noch jemanden. Meine Aufgabe ist es, den Mörder anhand der Indizien zu überführen. Und bisher deutet alles auf Casey. Falls ich mich täusche, muss ich das unbedingt wissen. AuÃerdem solltest du dir deine Antwort auch gut überlegen, weil es den Tatbestand der Behinderung polizeilicher Ermittlungen gibt. Das ist strafbar. Und die Polizei anzulügen ist durchaus als Behinderung zu werten.«
»Jetzt reicht es aber«, empörte sich mein Vater. »Das ist ja wohl die Höhe. Wenn Jessica sagt, dass sie es nicht getan hat, dann ist das auch so.«
»Ich habe von ihr nicht gehört, dass sie es nicht war.«
Das war mein Stichwort. Alle Blicke richteten sich auf mich.
»Ich bin es nicht gewesen«, hörte ich mich sagen. »Ich hab das nicht getan.«
22. August
1. Tag
Heute hat der letzte Campdurchgang dieses Sommers begonnen. Scharen von kleinen Mädchen bevölkern mit ihren Eltern den Speisesaal, geben ärztliche Atteste ab und werden auf die einzelnen Gruppen verteilt. Man sieht auf den ersten Blick, wer von ihnen schon mal hier war. Die Erfahrenen lachen, begrüÃen ihre Freunde und wollen so schnell wie möglich ihre Eltern abschütteln. Die Neulinge sind auch leicht zu erkennen. Sie hängen Mami und Papi am Rockzipfel, sehen ganz verängstigt und verloren aus. Manche weinen sogar.
Ich sehe Stephanie Glass, achte aber nicht weiter auf sie.
Ich kenne sie mehr oder weniger aus der Kirchgemeinde. Sie singt im Kinderchor mit und ist im Gottesdienst immer mit zur Kleinkinderbetreuung und später dann zur Sonntagsschule gegangen. Ich weiÃ, dass ihr Vater tot ist. Herzinfarkt? Krebs? Keine Ahnung. Sie sitzt mit ihrer Mutter immer auf der anderen Seite der Kirche. Unsere Familien sind nicht miteinander befreundet.
Dass sie am Camp teilnimmt, ist nicht überraschend. Viele Kinder von hier sind mit dabei. Ich kümmere mich nicht um sie, sondern halte Ausschau nach den Achtjährigen, die in unsere Gruppe kommen sollen. Stephanie sieht älter aus als acht.
Casey steht hinter dem Anmeldetisch und ist bereit, sämtliche Kinder in Empfang zu nehmen, die Hütte Nr. 3 zugeordnet werden. Ich sitze auf einer Bank an der Seite, beobachte das Geschehen und warte, bis die Kinder zu mir kommen. In den nächsten zehn Tagen werde ich sie noch mehr als genug um mich herum
Weitere Kostenlose Bücher