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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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mein Vater beförderte Detective Bowen zur Tür, die er sorgfältig hinter ihr schloss und verriegelte. Dann ging er zum Telefon in der Küche und rief seinen Golfpartner und Rechtsanwalt Gerald Grey an. Während er redete, hypnotisierte ich meinen Orangensaft, denn ich wusste genau, dass meine Mutter mich nicht aus den Augen ließ.
    Â»Wir treffen uns in einer Stunde mit ihm auf der Polizeiwache.« Nach dieser Ansage verzog sich Dad in sein Arbeitszimmer im Untergeschoss.
    Ich schob meinen Stuhl zurück und ging in mein Zimmer. Allerdings konnte ich da nicht bleiben, denn wenn meine Mutter mir hinterherkam, saß ich in der Falle. Ich musste raus. Doch dazu musste ich an der Küche vorbei, die gewissermaßen den Mittelpunkt des Hauses bildete. Es war unmöglich, durch die Eingangstür oder die Hintertür zu verschwinden, ohne die Küche zu passieren.
    Unentschlossen lief ich auf und ab.
    Mein Zimmer war klein. Ich hatte gerade genug Platz für ein schmales Bett, einen Schreibtisch und eine Kommode – das war’s auch schon. Im Laufe der Jahre hatte ich immer wieder umgeräumt, aber mehr Platz hatte ich dadurch nicht gewonnen.
    Caseys Zimmer war nicht viel größer als meins, doch ihr Vater hatte in der Garage ein Insektenlabor für sie eingerichtet, wo sie meistens zu finden war.
    Bei uns gab es keinen extra Platz für mich. Wir hatten zwar noch ein anderes Zimmer, das sogar größer war als meins, aber das brauchte meine Mutter für ihre ganzen Basteleien und Projekte. Sie arbeitete im Altersheim in Schichten und schlief nur selten zur selben Zeit wie mein Vater und ich. Meistens nächtigte sie auf einer schmalen Liege neben ihren ganzen angefangenen Projekten. Mein Vater schlief dagegen im Schlafzimmer, das mit Möbeln eingerichtet war, die sie nach ihrer Hochzeit zusammen ausgesucht hatten. Einmal im Jahr holte mein Vater die Dose mit dem Holzwachs raus und polierte die Oberflächen auf Hochglanz.
    Meine Zimmereinrichtung hatte ich bekommen, als ich aus dem Gitterbett herausgewachsen war. Es waren Erwachsenenmöbel, im selben Stil wie das Schlafzimmer meiner Eltern, solide und unverwüstlich. Einmal hatte ich Schneewittchen-Aufkleber an die Schreibtischschubladen geklebt. Drei Stunden hab ich gebraucht, bis ich die wieder abgeweicht und das Holz frisch gewachst hatte – alles unter der strengen Aufsicht meines Vaters.
    Â»Gute Dinge halten ewig, wenn man sie pfleglich behandelt«, sagte er. »Diese Möbel hier werden immer noch wie neu aussehen, wenn du mal ausziehst und dir eine eigene Wohnung einrichtest.« Zu der Zeit war ich gerade mal fünf und dachte nicht im Geringsten daran, von zu Hause auszuziehen, aber als er das sagte, hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr richtig dazuzugehören.
    Ich tigerte also zwischen Bett und Kommode hin und her und dachte an Casey, die jetzt in ihrer Zelle wahrscheinlich genauso auf und ab lief.
    Und dann kam mir noch ein Gedanke – ein Gedanke, der alle Probleme lösen und Casey wieder zurückbringen würde. Casey würde heilfroh sein, und ihre Eltern wären so erleichtert, dass sie mich ganz sicher mit ihr nach Australien lassen.
    Ich musste Casey aus dem Gefängnis retten.
    Ich wollte mit dem Fahrrad zur Polizeiwache fahren, dort reinplatzen und irgendein Ablenkungsmanöver veranstalten, beispielsweise den Feueralarm auslösen. Und wenn die Polizisten dann wie aufgescheuchte Hühner hin und her flatterten, konnte ich Casey aus ihrer Zelle holen und mit ihr zusammen abhauen. Wir brauchten nur ein gutes Versteck und mussten eine Zeit lang untertauchen. Und wenn Stephanies wahrer Mörder dann endlich gefunden war, würde alles wieder so sein wie vorher.
    Hatte ich echt gedacht, dass die Polizisten panisch um ihr Leben rennen und die Gefangenen in ihren Zellen lassen? Hatte ich mir eine Zelle wie im Western vorgestellt, wo der Schlüssel neben der Tür an ’nem rostigen Nagel hängt? Keine Ahnung, was ich mir gedacht hab. Ich schätze, ich war einfach ein bisschen neben der Spur in dem Moment.
    Aber neben der Spur oder nicht, jedenfalls fühlte ich mich dadurch mutig genug, mein Zimmer zu verlassen, an meiner vorwurfsvoll dreinschauenden Mutter mit einem hastigen »Wir treffen uns dann dort« vorbeizugehen und mich auf mein Fahrrad zu schwingen.
    Mein Fahrrad gehörte mir eigentlich gar nicht so richtig. Es war das von meinem Vater, aber der fuhr

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