Rosen und das Leben nach dem Tod u Rosen und zwei Leben
mich darin sah.
Es gab nicht viel, was ich Russel Linney vorwerfen konnte. Nur eines: Er war in mein Leben getreten und hatte einen Trümmerhaufen zurückgelassen. An diesem Nachmittag wurde mir klar, dass ich ihn niemals würde mein nennen können, wobei ich dieses Mein-nennen in beiderseitigem Einvernehmen verstand. Er mich. Ich ihn. Mir würden diese Spielchen, die er mit mir gespielt hatte, immer ein Stachel sein, weil ich sie nicht verstand. Seine Dominanz war in den Momenten unserer Zweisamkeit wie ein Führungsseil für mich und ich konnte mich nur in diesen Augenblicken darauf einlassen. Sobald wir jedoch unter anderen Umständen aufeinandertrafen, fehlte mir die Einsicht in dieses Verhalten und genau das würde es sein, das mir Fallstricke um die Füße meiner Seele wickeln würde. Ich konnte ihn nicht verstehen.
Ich würde ihn niemals verstehen und diese Einsicht schmerzte mich. Und mit diesem Schmerz wollte ich nicht leben.
Damit war ich beim nächsten Punkt meiner Entscheidungen angekommen.
Es war an der Zeit mit allem abzuschließen.
Kapitel 7
Rosen und zwei Leben
„Sind Sie sicher?“ Der Friseur hielt meine langen blonden und – leider – viel zu schweren Haare zu einem Zopf gebunden in seinen Händen. Durch den Spiegel sah er mich mit skeptischem Blick an. Ich suchte seinen Blick und nickte aufmunternd.
„Kurz“, sagte ich, „sehr kurz.“
Noch einmal zögerte er, setzte dann die Schere an und schnitt. Das Geräusch der Schere, die sich durch meine Haare kämpfte, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Beinahe mein ganzes Leben lang trug ich diese vermeintliche Pracht mit mir herum. Viele Frauen hatten mich darum beneidet. Langes, kräftiges, strohblondes Haar. Wenn ich dann erzählte, wie schwer es war, daraus eine akzeptable Frisur zu zaubern, dann lächelten sie mich mitleidig an. Bisher war ich immer diszipliniert genug, mich mit diesen Zotteln zu arrangieren. Aber diese Zeit war jetzt vorbei. Zu all den Entschlüssen, die ich in den letzten Wochen und Monaten nach meiner Flucht aus London getroffen hatte, war dieser hier der letzte und wichtigste.
Man sagt, wenn eine Frau sich von einem Mann trennt, dann verändert sie sich auch äußerlich. In meinem Fall stimmte das. Nur das ich mich nicht von einem Mann getrennt hatte. Nun: Nicht nur von einem Mann.
Ich hatte mich von mir getrennt.
Als ich das Yard am Tag der Beerdigung verließ hatte die Trennung schon angefangen. Meine Kündigung wirbelte einiges an Staub in der Abteilung auf, aber das war mir egal. DCI Jonas Peel war gerade beerdigt worden und ich hatte meinen Vater zu Grabe getragen. Niemand wusste dass er mein Vater war, weil meine Mutter mir erst dem Sterbebett erzählte, dass mein Erzeuger überhaupt noch lebte. Aber in den Jahren, in denen ich mein Studium und die Ausbildung bei der Polizei durchlief, wurde Jonas zu meinem Vater. Inoffiziell zumindest.
Privat versuchten wir aufzuholen, was meine Mutter ihm und mir verweigert hatte. Wir kamen uns näher und weil er mir das Radfahren nicht mehr beibringen konnte, führte er mich in die Welt der Systemischen Psychoanalyse ein. Im Büro war er der Chef, ich seine Assistentin. Am Tag als er starb, teilte Lissy – seine Ehefrau – dem Director mit, dass ich als seine Tochter sehr wohl ein Recht darauf hatte, zu erfahren, wie es Jonas gesundheitlich ging. Drei Stunden später starb mein Vater auf dem Operationstisch.
Dieser Tod hatte mich zwar mitgenommen, aber ich war so klar bei Verstand, dass ich erkennen konnte, dass mein Leben in den letzten Wochen und Monaten zur Farce verkommen war.
Schuld war ich. Und der Fall, den wir bearbeiteten. Vier Leichen plus eine, die wir im Laufe der Ermittlungen fanden. Vier Leichen plus eine, weil eine Frau sich zurückgesetzt fühlte; ihr Liebhaber ihr hörig war.
Der Mann, der uns bei den Ermittlungen half, war Russel Linney. Ein Fotograf, der sich mit einigen Bekannten ein seltsames Hobby leistete. Den Bund der Rose. Oder so ähnlich. Einen Namen trug dieser seltsame Verein nicht, aber sie hatten eine Passion.
Dominanz und Submission. Unter falschen Versprechungen lockte mich Russel in die Hallen seines Anwesens und dort lernte ich, dass ich gefesselt frei sein konnte. Zu allem Übel und Stress, den ich während dieser Ermittlungen
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