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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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erkennen, ob das Magazin voll ist, aber es würde mich doch arg wundern, wenn nicht. Moritz interessiert sich nicht für die Waffe. Er greift zu dem Ordner daneben mit dem Buchstaben R wie Rasendorfer und überfliegt die Einträge, die ein ziemlich unvorteilhaftes Bild von ihm zeichnen: »Träumer«, »leicht zu manipulieren«, »weltfremd«, aber immerhin auch »phantasiebegabt« sind die wichtigsten Charaktereigenschaften, die Hobbe dort notiert hat. Außerdem enthält die Akte Moritz’ kompletten Lebenslauf sowie ein Bewegungsprotokoll, das anhand seiner Handydaten erstellt wurde. Dahinter befinden sich Ausdrucke aller Geschichten, die Moritz jemals geschrieben hat, und zahlreiche Fotos von ihm, wie er im Versandhauslager arbeitet oder in der Buchhandlung Karelskis Roman unter sein T-Shirt stopft. Hobbe hat alles akribisch gesammelt, als wäre er Abteilungsleiter in einer Behörde und nicht Chef eines Verlags.
    Moritz blättert in seiner Akte und entdeckt weiter hinten die Kopien von Polizeiakten über die Durchsuchung bei Musik-Downloadern, die Kinderpornografie auf ihren Rechnern hatten. Außerdem findet er die beglaubigte Kopie der Sterbeurkunde einer Frau, die an einem Schlangenbiss gestorben ist. Die Klaue des Arztes ist schwer zu entziffern, aber es handelte sich um eine Bambusotter, die sich in einer miserabel kopierten Gucci-Handtasche verborgen hatte. Das mit dem »miserabel kopiert« war dem Arzt wichtig, vielleicht, weil seine Frau eine echte besitzt, für die er viel Geld bezahlt hat.
    Noch weiter hinten im Ordner entdeckt er dann das Foto von einem Mann, der tot auf der Straße liegt. Das Bild ist viel schärfer als die Aufnahmen auf dem kleinen Kameradisplay, und auch die Perspektive ist im Vergleich zu den Filmbildern etwas verschoben. Trotzdem gibt es keinen Zweifel: Es ist dieselbe Szene, und Moritz wird noch ein bisschen blasser um die Nase.
    »Oh, Gott!«, murmelt er, aber das ist bei ihm wohl nur so eine Redensart.
    Ich glaube nicht, dass er wirklich gläubig ist.
     
    Während Moritz weiter die Geheimnisse des Schranks erkundet, meldet sich Annes Sender. Wenn sie ihren langweiligen Krankenschwesterkram erledigt, habe ich sie meistens auf stumm geschaltet. Dann ist sie nur in einem kleinen Fenster rechts oben auf meinem Monitor zu sehen.
    Jetzt aber wird es spannend. Ich ziehe ihr Kamerabild größer, sodass ich auf dem Rechner einen Splitscreen habe: Im linken Fenster sehe ich Moritz, der sich durch seine Akte wühlt, im rechten Anne, die mit einem älteren Mann in der Krankenhauskantine sitzt. Vor Anne stehen eine Tasse mit Kaffee und ein Teller mit zwei belegten Brötchenhälften. Der ältere Herr hat nur einen Kaffee, und ich muss zweimal hinsehen, ehe ich Hobbe erkenne. Er trägt einen weißen Arztkittel und eine schwarze Hornbrille. Das also war der wichtige Termin, den er noch hatte.
    »Schön, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben«, sagt Hobbe.
    »Es klang ja auch sehr dringend, Doktor … Wie war noch Ihr Name?«, fragt Anne und beißt in das Käsebrötchen. Dann schiebt sie den Teller ein Stück in seine Richtung. »Möchten Sie auch?«
    »Nein, danke, sehr freundlich«, erwidert Hobbe. »Mein Name ist Doktor Kleiber, und wie ich am Telefon schon andeutete, geht es um eine etwas delikate Angelegenheit.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Es geht um Ihren Freund, Moritz Rosendorfer.«
    »Moritz?« Anne legt das Brötchen zurück auf den Teller.
    »Eigentlich bin ich ja – wie Sie wissen – an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Aber da Sie als Krankenschwester quasi so eine Art Kollegin sind, denke ich, wir können eine Ausnahme machen. Wissen Sie, wo sich Herr Rosendorfer tagsüber aufhält?«
    »In einem Büro. Er schreibt Geschichten für einen Verlag.«
     
    Moritz hat in der Zwischenzeit seinen Ordner zurückgestellt und greift nun zu dem von Pascal. Darin finden sich detailliert Pascals Pläne, ihre Geschichtentechnik großen Konzernen anzubieten. In den Akten ist von einer Sportartikelfirma die Rede, mit der er bereits in Kontakt steht. Auch hier gibt es Fotos von dem Treffen mit den Managern im Hotel, und auf einem davon bin sogar ich mit drauf, etwas verschwommen im Hintergrund. Am Ende des Dossiers steht ein handschriftlicher Vermerk von Hobbe: »Es ist zu befürchten, dass Ps Nebengeschäfte eine Spur zum Hypothesen-Verlag legen. Deswegen befürworte ich, P aus dem Verkehr zu ziehen. Schnellstmöglich.« Das »Schnellstmöglich« ist

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