Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
glaube, es ist besser, wenn Sie das alles für sich behalten.«
»Aber es wird weitere Morde geben, Sie müssen …«
»Nehmen Sie eigentlich Drogen?«, unterbricht ihn der Polizist und sieht ihm prüfend in die Augen.
»Nein!«
»So sehen Sie auch nicht aus. Setzen Sie sich erst einmal wieder hin, trinken Sie einen Tee, und dann gehen Sie nach Hause, schlafen sich aus, und wenn Sie morgen früh immer noch an die ganze Sache glauben, kommen Sie wieder. Einverstanden?«
Der Polizist greift nach der Thermoskanne, um Tee in einen Pappbecher einzuschenken. Aber die Kanne ist leer.
»Augenblick, ich hole neuen.«
Als der freundliche Polizist mit dem frisch gebrühten Tee zurückkommt, ist Moritz nicht mehr da.
31 / 10 / 2015 – 11 : 12 Uhr
Moritz läuft die Straße entlang und blickt sich immer wieder um. Er sieht gehetzt aus und hat sein Telefon am Ohr. Es ist aber nur Pascals Mailbox, die sich meldet.
»Pascal? Wir müssen uns treffen. Sofort. Ich kann nicht lange telefonieren. Ich schmeiß gleich mein Handy weg, damit sie mich nicht orten können. Hobbe weiß alles über deine Pläne. Wir stecken beide in der Scheiße. Und nein, ich bin nicht paranoid. Komm heute Abend um sechs zum alten Fähranleger. Ich warte da auf dich. Du musst kommen! Du musst!«
Moritz geht noch ein paar Schritte, dann lässt er sein Handy angeschaltet auf den Rücksitz eines Cabrios fallen, das ein Münchner Kennzeichen besitzt und am Straßenrand parkt. Mir ist das egal, ich behalte ihn trotzdem auf dem Radar. Aber für die Schwulen, die keine sind, könnte das tatsächlich ein Problem werden und – wenn es für Moritz richtig gut läuft – eine kleine Spritztour nach Bayern bedeuten.
Ein paar Meter weiter stoppt er plötzlich an einem Zeitungskiosk. Die Überschriften in den großen Zeitungen variieren nur leicht: »Braune Latschen«, »Zwei rechte Schuhe« und »Sneakers für den Führer«, sind dabei die originellsten. Die Geschichte dahinter ist schnell erzählt: Eine große Sportschuhfirma mit den Initialen NGP soll angeblich von Nazis unterwandert worden sein. NGP stehe nämlich tatsächlich für New German Pride, so die gewagte These, die plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Die Geschäftsleitung habe sofort dementiert, weil die Abkürzung in Wirklichkeit überhaupt nichts bedeute. Das Kürzel habe sich die Marketingabteilung ausgedacht, weil es flott, frisch und funky klingt. Aber seit dem Gerücht, das sich rasend schnell über das Netz verbreitet hat, ist es aus mit flott, frisch und funky. Die Kurse der Firma sind sofort ins Bodenlose gestürzt. Auch der Absatz sei quasi über Nacht katastrophal eingebrochen, berichten die Nachrichtenagenturen übereinstimmend.
Ich schätze mal, da wird eine andere große Sportschuhfirma ziemlich dankbar und großzügig sein, dass sie für einige Zeit einen lästigen Konkurrenten weniger hat. Und wenn Pascal wirklich clever ist, investiert er sein Honorar in die abgestürzten Aktien seines Opfers und wartet in Ruhe ab, bis der Imageschaden behoben ist und die Kurse wieder steigen. Dann verkauft er und macht ein Vermögen.
Respekt! Das hätte ich Pascal gar nicht zugetraut. Ich hatte damit gerechnet, dass er vor dem ganz großen Coup erst mal mit einer Bäckereikette probt, in deren Backstube angeblich Mäuse und Kakerlaken unterwegs sind, haufenweise Mäuse und Kakerlaken, damit der Bäcker gegenüber ein paar Brötchen mehr verkaufen kann. Aber nein, unser Skater überspringt die Kreisklasse und startet gleich in der Bundesliga durch.
»Scheiße, Pascal! Bitte nicht!«, flüstert Moritz, und das beweist, dass auch er weiß, wer sich die New-German-Pride-Nummer ausgedacht hat.
Moritz kauft sich einen Stapel Tageszeitungen und hält dann ein Taxi an, das gerade vorbeifährt.
»Zum Krankenhaus«, sagt er knapp und setzt sich auf den Rücksitz. Dort beginnt er, alle Artikel durchzusehen. Niemand weiß, woher die Nazi-Verdächtigungen mit einem Mal stammen. Um einen Imageschaden zu vermeiden, haben die großen Kaufhäuser die Marke schon aus dem Regal genommen. Dass gleichzeitig in der rechten Szene plötzlich eine vermehrte Nachfrage nach NGP -Schuhen entstanden ist, bestätigt das Gerücht nur, kann aber die großen Gewinneinbrüche nicht kompensieren. Dazu gibt es zum Glück zu wenig von den Deppen, und die wenigsten davon können sich die teuren Treter überhaupt leisten.
»Ins Krankenhaus wollen Sie?«, ruft der Taxifahrer über die Schulter nach hinten. »Da
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