Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Pascal keine Hilfe zu erwarten ist.
Er ist enttäuscht, das kann ich verstehen. So viele Freunde hat er nicht. Aber ich kann auch Pascal verstehen. Der glaubt, dass er »kurz vorm ganz großen Jackpot« steht. Da kommt Moritz’ Verdacht ziemlich ungelegen. Pascal hat andere Pläne, und das hätte ich Moritz auch vorher sagen können.
30 / 10 / 2015 – 23 : 42 Uhr
Moritz’ Suche nach Hobbe führt ihn ins Number One, das heute Abend zur Abwechslung mal komplett in Lila eingerichtet ist. Der Türsteher lässt Moritz nur rein, weil er ihn schon in Begleitung von Hobbe gesehen hat. Sonst hätte er nicht den Hauch einer Chance, so, wie er aussieht: dreckig, verschwitzt und mit so einem paranoiden Flackern in den Augen.
In einer der Nischen sitzen Karelski und Mignon. Als Moritz sie entdeckt, drängt er sich an den tanzenden Menschen vorbei zu dem alten Autor und seiner jungen Muse. Ich setze mich wieder an die Bar, und dass die Bedienung mir, ohne zu fragen, ein Wasser hinstellt, gibt mir zu denken. Ich muss dringend an meiner Tarnung arbeiten. Zum Glück ist Moritz viel zu sehr auf die beiden Schwulen, die keine sind, fixiert, als dass er noch Zeit hätte, auch auf mich zu achten.
»Ah, unser Nachwuchsstar. Was macht die Schreiberei? Immer noch Hobbes kleiner Liebling?«, begrüßt Karelski Moritz, als der die lilafarbene Sitzgruppe erreicht hat.
»Haben Sie ihn gesehen? Ist Hobbe hier?«, fragt Moritz, ohne auf Karelskis Provokation einzugehen.
Karelski deutet mit dem Kinn auf eine Flasche stilles Wasser, die neben ihm steht.
»Meinst du, dann würde ich das da trinken?«
»Wissen Sie, wo er ist? Es ist wichtig.«
»Ich gebe dir einen Tipp, junger Kollege. So von Profi zu Anfänger. Man sollte sich immer nur am Rand der Macht bewegen. Kommt man ihr zu nahe, verbrennt man. Das ist genau wie mit der Sonne.«
Mignon kichert albern. So lustig war das gar nicht, und wenn mich nicht alles täuscht, ist die Kleine auf irgendwelchen Drogen. Die würde sogar lachen, wenn man ihr die Lottozahlen vorliest.
»Was soll dieser Sonnenmist?«, fragt Moritz.
»Hast du dich nie gewundert, woher Hobbe das ganze Geld hat?«
»Hobbe ist Verleger.«
Karelski lacht. »Sehr gut! Wirklich sehr gut! Suchet, so werdet ihr finden. Viel Glück!«
Karelski reicht ihm die Hand, um Moritz klarzumachen, dass das Gespräch für ihn beendet ist. Als Moritz zugreift, bemerkt er, dass an Karelskis linker Hand mehrere Finger fehlen.
»Nichts ist umsonst«, sagt der Schriftsteller und zuckt mit den Schultern, als wenn so ein paar Finger mehr oder weniger nicht der Rede wert wären. Dann entzieht er Moritz seine Hand. Damit ist die Audienz beim Schreibfürsten beendet, und ich trinke schnell mein Wasser aus, weil es bestimmt gleich weitergeht.
31 / 10 / 2015 – 08 : 20 Uhr
Die letzte Nacht habe ich wieder im Auto verbracht. Es war die zweite in Folge, und für meinen Rücken ist das die Hölle. Nach dem Klub hat Moritz Hobbe noch im Verlag gesucht. Aber da war er auch nicht. Also hat Moritz dort einfach auf ihn gewartet und die Zeit genutzt. Die ganze Nacht hat er das Internet durchsucht, um Hinweise darauf zu finden, ob noch mehr seiner Storys in die Realität umgesetzt worden sind. Aber wie will man das entscheiden? Natürlich behaupten in den Foren alle, dass sie die Freunde der Leute gut kennen würden, denen diese Geschichten widerfahren sind. Das ist ja genau das, was sie so glaubwürdig macht. Dabei beweist das genauso wenig wie die eingestellten Bilder von Gucci-Taschen, Bambusottern oder das Zeitungsfoto, auf dem jemand mit Handschellen aus dem Haus geführt wird, weil er mit seinen Top-Ten-Hits unbemerkt auch Kinderpornos heruntergeladen hat – nämlich überhaupt nichts. Moritz hat sogar versucht, Kontakt zu dem Reporter aufzunehmen, der den Witwer fürs Radio interviewt hat. Aber der ist für ein halbes Jahr nach Kanada, und die Nachtredaktion im Sender konnte Moritz auch nicht sagen, wo der Mann, dessen Frau angeblich an dem Schlangenbiss gestorben ist, wohnt und wie man ihn erreichen kann. Moritz ist in der letzten Nacht im Netz auf einen ganzen Haufen seiner Geschichten gestoßen. Einen Beweis für seine Befürchtung hat er nicht gefunden.
Wie auch?
Jetzt schläft er auf seinem Stuhl, den Kopf auf die Tischplatte gelegt. Als Kissen dienen ihm die Blätter mit seinen Gruselstorys, die er im Web entdeckt und ausgedruckt hat. Es ist ein ziemlich hoher Stapel Papier, auf den er sein Haupt gebettet hat.
Draußen
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