Rosendorn
Dazu hatte er mich loslassen müssen, aber nun klopfte er auf seinen Schoß.
»Komm und setz dich«, sagte er. »Ich halte dich so warm, wie ich kann.«
Einen kurzen Moment dachte ich daran, was passiert war, als ich zum letzten Mal auf Ethans Schoß gesessen hatte, doch ich schob den Gedanken beiseite. Selbst Ethan war nicht Spieler genug, um mich ausgerechnet in dieser Situation anzumachen.
Also krabbelte ich auf seinen Schoß, und er hielt mich fest umschlungen. Mein Gesicht war an seine nackte Brust geschmiegt, während seine Körperwärme durch meine durchnässten Klamotten sickerte.
»Ist dir überhaupt nicht kalt?«, fragte ich ihn.
Ich spürte, wie er mit den Schultern zuckte. »Eigentlich nicht. Wir fühlen die Kälte nur, wenn sie extrem ist. Und wie du wahrscheinlich schon gemerkt hast, ist unsere Körpertemperatur höher als die der Menschen.«
Ja, das war mir aufgefallen. Jeder Zentimeter von mir, der mit seinem Körper in Berührung war, war angenehm warm. Leider waren noch viele Zentimeter übrig, und ich zitterte furchtbar.
»Du hast mir das Leben gerettet«, flüsterte ich an seiner Brust.
Mit dem Kinn rieb er über meinen Kopf. »Das war das Mindeste, was ich tun konnte.«
Ich dachte über die Wasserhexe nach, mit ihren milchigen Augen, ihren rasiermesserscharfen Zähnen und dem klebrigen Spinnweben-Haar. Ohne zu zögern, war Ethan hinter mir her in den Graben gesprungen, obwohl er wusste, dass Dutzende von diesen Kreaturen im Wasser lauerten. Und auch wenn sie angeblich beide Angehörige des Winterhofes waren, war ihr Verhältnis zueinander nicht gerade herzlich.
Er hatte mich angelogen. Er hatte versucht, Magie gegen mich zu benutzen. Und er hatte einen Angriff auf mich eingefädelt, bei dem ich hätte getötet werden können. Aber am Ende hatte er sein eigenes Leben riskiert, um meines zu retten. Wie konnte ich ihm seine Fehler also nicht verzeihen?
»Dann sagen wir einfach, wir sind quitt, und belassen es dabei«, sagte ich. Wortlos hauchte Ethan einen Kuss auf mein Haar.
»Woher wusstest du, dass Grace meinem Vater einen Zauber entgegenschleudern würde?«, fragte er. »Du hast ihm mit deiner Warnung das Leben gerettet.«
Bei diesem Gedanken fühlte ich mich etwas weniger elend. Wenigstens hatte ich
irgendetwas
richtig gemacht. Und ich war froh, ein Leben gerettet zu haben, auch wenn ich selbst Hilfe benötigt hatte.
»Ich konnte spüren, wie die Magie sich aufgebaut hat«, erklärte ich und bemerkte, wie Ethan erstarrte. Ich wollte meinen Kopf von seiner Brust lösen, um ihm ins Gesicht zu sehen, doch das ließ er nicht zu.
»Was ist?«, fragte ich. »Was habe ich gesagt?«
»Du hast die Magie gespürt?«, wiederholte er und klang, als könnte er es nicht glauben.
»Ja. Zumindest denke ich das. Der Anhänger, den mein Vater mir geschenkt hat, erwärmt sich, und dann fängt meine Haut an zu kribbeln. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nur passiert, wenn in meiner Nähe Magie angewendet wird.«
Ethan schob mich ein Stückchen zurück und ließ zu, dass ich ihm ins Gesicht blicken konnte. Nicht, dass ich in der Dunkelheit unter der Brücke besonders viel erkannt hätte. Aber ich konnte die Anspannung in seiner Miene sehen.
»Ich werde vergessen, dass ich dir diese Frage gestellt habe«, sagte er. »Und ich werde ganz sicher deine Antwort darauf vergessen. Falls dein Vater oder meiner dich jemals danach fragen sollten, behaupte einfach, dass du Grace etwas hättest murmeln hören und dann eine Vermutung gehabt hättest, was kommen würde.«
»Warum?«
»Weil die Magie einen Faeriewalker üblicherweise als Menschen betrachtet, obwohl er tatsächlich zur Hälfte Fee ist. Wenn du allerdings spüren konntest, wie die Magie sich aufbaut, heißt das, dass du eine besondere Verbundenheit zu ihr hast. Und das bedeutet, dass du möglicherweise trainieren und irgendwann selbst Magie anwenden kannst. Du bist schon so eine mächtige und furchteinflößende Waffe. Sollte jemand die Vermutung haben, dass du auch Magie beherrschst …« Er schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Dann würden dich nicht nur die Königinnen ausschalten wollen.«
»Aber ich kann das doch nur wegen des Anhängers«, widersprach ich. »Wenn ich ihn abnehme …« Ich griff nach dem Verschluss an meinem Hals, doch Ethans Hände schlossen sich sanft um meine Handgelenke.
»Behalte ihn«, sagte er. »Ich weiß nicht, was der Anhänger genau kann, aber wenn er auf Magie reagiert, dann ist er ein Objekt der
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