Rosendorn
nett gewesen, wenn Ethan und Kimber meine Rettung nicht ganz so wie eine Entführung angelegt hätten, doch ich war froh, dass ich die Nacht nicht in Tante Graces Gewalt verbringen musste.
»Danke, dass ihr mich da rausgeholt habt.«
Ihr Blick verfinsterte sich, und sie wandte den Kopf ab. »Das war größtenteils Ethans Verdienst. Ich bin eigentlich nur wegen der Fahrt mitgekommen.«
Nennt mich verrückt, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie deswegen ein bisschen verbittert war. »Du hast mitgeholfen«, entgegnete ich.
Sie wies meine Bemerkung mit einem selbstironischen Grunzen zurück.
»Doch, das hast du!«, beharrte ich. »Diese Spriggans hätten uns töten können, wenn du nicht da gewesen wärst.«
Ihre Miene hellte sich auf. »Ich habe
tatsächlich
eines von den Dingern getötet«, sagte sie und klang bei der Erinnerung daran aufgeregt. »Und ich musste dafür nicht einmal Magie benutzen.« Ihr Lächeln war strahlend, und ihre Augen funkelten glücklich.
»Wenn du jetzt anfängst, herumzuhüpfen und fröhlich in die Hände zu klatschen, bin ich weg«, brummte ich und erntete dafür das Lachen, das ich mir erhofft hatte. Kimber, die Schneekönigin, war verschwunden.
»Ich fühle mich wie eine Kriegerprinzessin«, sagte sie. »Und du hast auch ziemlich geistesgegenwärtig reagiert, als du den Spriggan in deine Decke verwickelt hast.«
Ihr Lob ließ mich rot werden. »Äh, das war doch eher Glück als alles andere.«
»Unsinn! Wir haben uns beide wirklich gut geschlagen, als wir unter Beschuss standen. Wir können also beide Kriegerprinzessinnen sein.«
Bei der Vorstellung musste ich lächeln. »Solange ich keinen Kettenpanzer-Bikini tragen muss, bin ich damit einverstanden.«
»Abgemacht«, sagte sie und hob die Hand, damit ich abklatschen konnte. »Also, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich weiß, dass es für
diese
Prinzessin Zeit ist, ein bisschen zu schlafen. Brauchst du noch irgendetwas, ehe ich dich allein lasse?«
Es hätte vermutlich eine Stunde gedauert, die Liste der Dinge, die ich brauchte, vorzulesen, doch ich setzte mein tapferstes Lächeln auf und schüttelte den Kopf. »Nein, alles okay.«
»Also gut. Bis morgen früh dann.«
Mit einem gequälten Blick auf die Couch zog ich meine Schuhe aus und legte mir das Kissen und die Decke so gut wie möglich zurecht. Dann kletterte ich in mein provisorisches Bett und versuchte, an nichts zu denken. Ich schlief ein, bevor ich entscheiden konnte, ob die Couch nur »furchtbar ungemütlich« oder doch »erbärmlich« war.
Als ich dieses Mal aufwachte, gab es keine Katastrophe, was zur Abwechslung mal ganz angenehm war. Mein Nacken und mein Rücken waren steif und wund, und mein Kopf fühlte sich nicht viel klarer an als bei meiner Landung in London. Aber zumindest versuchte gerade niemand, mich zu entführen, und es waren auch keine Monster in der Nähe, die mich angreifen wollten.
Müde streckte ich mich, um meine Muskeln zu entspannen – ein vergeblicher Versuch. Dann erhob ich mich und ging Richtung Küche, wo einige Geräusche darauf hinwiesen, dass Kimber bereits wach war.
Ich kam gerade rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie sie ein paar
Cheerios
in eine Schüssel schüttete. Mühsam musste ich mir ein Lachen verkneifen. Wer hätte gedacht, dass eine Schneekönigin, die zum Volk der Feen gehörte, zum Frühstück etwas so Alltägliches wie
Cheerios
-Frühstückscerealien verspeiste?
Obwohl ich mich bemüht hatte, möglichst kein Geräusch zu machen, war ich offensichtlich nicht leise genug gewesen. Kimber drehte sich um und warf mir einen mürrischen »Ich bin in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, also lass mich in Ruhe«-Blick zu.
»Willst du auch welche?«, fragte sie und schüttelte die Schachtel.
Mein Magen knurrte zustimmend, und ich nickte. Gegen meinen Willen beobachtete ich sie aus den Augenwinkeln, während ich meine
Cheerios
in ein Schüsselchen füllte und anschließend reichlich Milch und Zucker dazugab. Eigentlich bewegte sie sich immer mit der verblüffenden Anmut der Feen, und doch sah sie an diesem Morgen, als sie mürrisch neben mir am Tisch saß, viel menschlicher aus als in der vergangenen Nacht.
Zwar strahlte sie noch immer diese natürliche Schönheit aus, die mich neben ihr wie Ugly Betty fühlen ließ, aber ihr Haar hatte sie zu einem unordentlichen Knoten auf dem Kopf zusammengebunden, und sie trug einen verschossenen Flanellpyjama, der aussah, als wäre er für einen Kerl
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