Rosendorn
seine Miene wirkte angespannt. »Etwas Schlaf wird uns beiden guttun.«
Er wollte mich gerade zu einem der Gebäude ziehen, als Kimber sich geräuschvoll räusperte. Ethan wandte sich um und funkelte sie wütend an.
»Wofür hältst du mich?«, knurrte er.
Nach allem, was passiert war, war ich ein bisschen schwer von Begriff, also verstand ich zuerst nicht, wovon sie sprachen. Kimber stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn wütend an. Ich spürte, dass mehr hinter diesen bösen Blicken steckte, aber ich konnte beim besten Willen nicht sagen, was das sein mochte.
Mit einem angewiderten Murren ließ Ethan meinen Arm los und schob mich in Kimbers Richtung.
»Gut!«, blaffte er, und ohne ein weiteres Wort oder einen Blick machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte auf das Gebäude zu, in dem sich seine Wohnung befand.
Und in dem Moment fiel bei mir endlich der Groschen. Er hatte mich mit in seine Wohnung nehmen wollen. Nur ich und er. Mein Gesicht brannte vor Hitze. Ich senkte den Kopf, damit Kimber es nicht merkte.
»Komm mit«, sagte sie und winkte mich zu sich. Ich folgte ihr, während ich noch versuchte, meine eigene Gutgläubigkeit zu verarbeiten.
Wenn Kimber keinen Einspruch erhoben hätte, dann wäre ich Ethan in seine Wohnung gefolgt, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden. Ich meine, ja, er war ein echt heißer, für mich zu alter Feenjunge, und auch wenn es sich so angefühlt hatte, als hätte er den ganzen Abend mit mir geflirtet, war die Vorstellung, dass er tatsächlich Interesse an einem nicht übermäßig hübschen Halbblut-Teenagermädchen haben könnte, ziemlich lächerlich. Trotzdem – er war ein
Kerl,
und ich war kein Kind mehr.
Kimbers Wohnung entsprach nicht meiner Vorstellung einer Studentenbude. Nicht, dass das Apartment selbst etwas Außergewöhnliches gewesen wäre, doch die Einrichtung war der Wahnsinn. Wenn man sich ein paar der modernen Annehmlichkeiten wegdachte – wie das Telefon oder den Fernseher –, hätte das Zimmer auch direkt aus einem Herrenhaus des neunzehnten Jahrhunderts stammen können. Es sah aus wie das Set eines Jane-Austen-Films. Und ich hätte meinen gesamten Besitz verwettet – was im Augenblick zugegebenermaßen nicht besonders viel war –, dass die Möbel echte Antiquitäten und keine billigen Nachahmungen waren.
Die Umgebung wirkte wunderhübsch, aber auch seltsam kühl. Wie Kimber selbst. Alles war in sanften Blau- und Grüntönen gehalten, nichts lag herum. Die Magazine auf dem Couchtisch waren ordentlich gestapelt. Die Fernbedienungen für ihren Fernseher, den DVD -Player und die Stereoanlage lagen Seite an Seite daneben. Selbst der Abstand zwischen den Geräten schien gleich zu sein. Ich fragte mich, ob sie ein Lineal brauchte, um die Fernbedienungen so exakt auszurichten, oder ob sie es nach Augenmaß machte.
»Ich habe allerdings nur ein Schlafzimmer«, sagte sie, als ich im Zimmer stand und mich fragte, was ich nun tun sollte. »Das Sofa ist nicht besonders bequem, doch es ist sicherlich angenehmer, als auf dem Fußboden zu schlafen.« Sie grinste mich an und hatte mit einem Mal viel mehr Ähnlichkeit mit Ethan. »Ich würde dir ja mein Bett anbieten, aber so hilfsbereit bin ich nun auch wieder nicht.«
Sie schien ein wenig aufgetaut zu sein, seit wir die Wohnung betreten hatten. Ihre Schultern waren weniger angespannt, und ihr Lächeln wirkte offen und locker. Entweder hatte sie eine multiple Persönlichkeitsstörung, oder ihre Missstimmungen waren durch Ethan verursacht. Wahrscheinlich Letzteres.
»Wie kommst du klar?«, fragte sie mit plötzlichem Mitgefühl. »Ich kann mir vorstellen, was du gerade durchmachen musst.«
»Ich bin ganz schön durcheinander«, gab ich zu. »Abgesehen davon geht’s mir aber eigentlich ziemlich gut.«
Sie nickte, was mich vermutlich aufmuntern sollte, und verschwand dann in ihrem Schlafzimmer. Kurz darauf kehrte sie mit einem Kissen und einer Decke zurück.
Zweifelnd betrachtete ich das Sofa. Es sah ungefähr so gemütlich aus wie eine Parkbank – als sollte man es nur ansehen und nicht darauf sitzen.
»Tut mir leid, dass ich nichts Bequemeres anzubieten habe«, sagte Kimber, der mein Blick auf die Couch nicht entgangen war.
»Ist schon in Ordnung«, entgegnete ich. Ich wollte nicht undankbar klingen. »Es ist besser, als eingesperrt in einer Zelle zu hocken, auch wenn das Bett da ganz gemütlich war.« Auf den Angriff der Spriggans hätte ich verzichten können, und es wäre auch
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