Rosendorn
herumzufuchteln und diese fürchterlichen Kreaturen zu töten, und es war schwer, sich nicht – wieder einmal – zu fragen, ob er einer der Guten oder einer der Bösen war.
»Ich dachte, seit die Stadt Avalon ihre Unabhängigkeit von Faerie erklärt hat, sind die Feen hier keine Angehörigen eines Hofes mehr«, sagte ich. »Die Höfe und die Zugehörigkeit zu ihnen sollten nur in Faerie eine Rolle spielen.«
Ethan lachte trocken. »Theoretisch stimmt das. Aber praktisch sieht es anders aus. Dir wird noch auffallen, dass viele Häuser und Geschäfte in Avalon entweder mit einer weißen oder einer roten Rose geschmückt sind. Weiße Rosen bedeuten, dass das Haus oder das Geschäft zum Sommerhof gehört; rote Rosen zeigen die Verbundenheit mit dem Winterhof an.« Sein Blick blieb an meinem Oberkörper hängen. Ich sah nach unten und bemerkte, dass die Kamee aus meinem Shirt hervorblitzte. Der Anhänger mit der weißen Rose darauf.
Waren mit Dads wohlüberlegtem Geschenk unsichtbare Verpflichtungen verbunden? Er hatte nie erwähnt, dass mich das Tragen einer weißen Rose als Mitglied des Sommerhofes kennzeichnete. Meiner Meinung nach hätte er mir das sagen müssen, und ganz automatisch fragte ich mich, warum er es nicht getan hatte.
Ethan blickte mir in die Augen, und irgendwie hatte ich das Gefühl, als wüsste er, was mir gerade durch den Kopf ging. »Weder Kimber noch ich tragen die rote Rose«, sagte er. »Wir sind der Ansicht, dass es eine vollkommen überholte Sitte ist, die man unbedingt abschaffen sollte. Ich habe Faerie noch nie betreten – warum also sollte ich meine Zugehörigkeit zum Winterhof erklären?«
Ich war mir nicht sicher, wie ich nun zu der Kamee stand. Doch ich konnte sie auch nicht einfach abnehmen – im Augenblick war sie die einzige Verbindung zu meinem Dad. Wortlos steckte ich sie wieder in den Ausschnitt meines Shirts, wo man sie nicht sehen konnte.
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8 . Kapitel
I n der Kälte der Höhle begann ich wieder zu zittern. Unter keinen Umständen würde ich die Decke noch mal benutzen, also schob ich die Hände unter die Arme und biss mir auf die Unterlippe. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass noch mehr Studenten bei dem Angriff verletzt worden sein könnten, aber offenbar hatte ich einige Stunden geschlafen, und die meisten von ihnen waren vor dem Zwischenfall schon nach Hause gegangen. Kimber und der unverletzte Menschenjunge, der Brent hieß, schnappten sich eine Couch und zogen sie näher zu den Sofas, auf denen der Rest von uns zusammengekauert hockte. In der Gruppe glaubten wir, sicherer zu sein. Jason ließ sich dankbar auf die Couch sinken, auch wenn die Bewegung ihm offensichtlich Schmerzen bereitete.
»Ich dachte, du hättest ihn geheilt«, sagte ich und sah Ethan erstaunt an.
Seine Miene wirkte grimmig, und mir fielen die dunklen Schatten unter seinen Augen auf. Sie schienen erst jetzt so markant geworden zu sein, denn ich glaubte nicht, dass ich sie vor dem Angriff schon bemerkt hatte.
»Ich habe nur die Rippen an sich geheilt. Das weiche Gewebe darum herum ist vermutlich noch immer schmerzhaft geprellt.« Er klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Tut mir leid, Kumpel. Ich bin darin noch nicht so gut.«
Jason warf mir einen spöttischen Blick zu. »Er ist zu bescheiden.«
»Das ist mir neu«, murmelte Kimber, doch niemand lachte.
»Ethan ist ein magisches Wunderkind«, fuhr Jason fort. »Die meisten Heiler müssen jahrelang üben, um Knochen zu reparieren. Und sie müssen so intensiv trainieren, dass ihnen kaum noch Zeit für andere Magie bleibt.«
Kimber schniefte herablassend. »Und wenn Ethan seine Energie vorhin nicht damit vergeudet hätte anzugeben, dann hätte er auch die äußerlichen Wunden heilen können.«
»Genug, Kimber!«, versetzte Ethan knapp und sprang auf. »Wie hätte ich denn wissen sollen …«
»Äh, Leute?«, sagte ich zaghaft – teils, um einen Streit zu verhindern, teils, weil ich mir echt Sorgen machte. »Meint ihr, dass es noch mehr von den Dingern gibt? Ich meine, was passiert, wenn sie zurückkommen?« Ich begann wieder zu zittern, und dieses Mal lag es nicht an der Kälte. Ich blickte auf die Haufen aus Glibber, die vor kurzem noch Monster gewesen waren, und fragte mich, ob das alles tatsächlich wahr sein konnte.
»Ich bezweifle es«, entgegnete Ethan, aber er klang nicht besonders überzeugt. »Wenn es noch mehr von ihnen gegeben hätte, dann hätten sie zusammen angegriffen.« Bewusst drehte er Kimber den Rücken zu
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