Rosenfolter
Die
Opfer ausschließlich männlich. Schlug eine enttäuschte Geliebte wie im Rausch um
sich?
Katinka schrieb ›LGS‹ auf ihr Blatt. Landesgartenschau.
Sie hatte erlebt, dass ein Verrückter die Sandkirchweih hatte hopsnehmen
wollen, Bambergs größte Party, die jedes Jahr Ende August stattfand. Aber eine Gartenschau?
Garten klang nach
Friede, Freude, Eierkuchen. Nach Erholung und Langeweile. Nach Äußerlichkeiten.
Nach … Katinka stützte ihren Kopf in ihre Hände.
Sie hatte keinen
Bezug zu Gärten. Hatte sie nie gehabt. Sie hatte zeitlebens in Städten gewohnt.
So zentral wie möglich. Sie zog nicht mal Kresse auf dem Fenstersims.
Warum eine Rose
als Begleitgabe der Gliedmaßen und der Leiche? War die Rose das Bekennerschreiben?
Der dezente Hinweis auf das, worum es hier ging?
Gab es irgendjemanden,
an den diese Botschaft gerichtet war? Jemanden, der sie sofort lesen konnte – und
sie verstand? Jemanden, der inzwischen die Krise bekommen hatte? Der türmte, sich
davonschlich? Oder dickfellig genug war, nichts von der ganzen Aufregung in Bamberg
mitzubekommen?
Jemanden, der keine
Zeitung las?
»Das Ganze ist
krank!«, sagte sie laut.
Die Küche antwortete
nicht. Nur die Kaffeemaschine gurgelte leise.
Ohr, Finger und
Hand konnte man mit etwas Mühe als Scherze abtun. Aber wer machte solche Scherze?
Hatten die drei Gliedmaßen auf Rosenbett ihre Wirkung noch nicht erreicht, dass
es einen Toten brauchte?
Katinka stand auf.
Wenn zu viele unbekannte Variablen in ihren Gleichungen standen, musste sie ihre
Aufmerksamkeit auf jede einzelne richten. Nacheinander.
Und dann war da
Emma Theiss mit ihrem drängenden Anruf. Dante Wischnewski, zu dem sich der ganze
Quatsch schon durchgesprochen hatte. Trotz Nachrichtensperre.
Das Telefon klingelte
wieder.
»Palfy?«
»Kohlschwab.«
»Guten Morgen«,
sagte Katinka. Den Hörer an sich gepresst, schenkte sie sich eine dritte Tasse Kaffee
ein. Milch war aus, und sie trank ihn schwarz, während sie zuhörte.
Jetzt wurde es
wirklich interessant. Staatsanwalt Kohlschwab hatte die Leiche im Fischpass in seine
Zuständigkeit übernommen.
»Ich gehe davon
aus«, schloss Kohlschwab seine Tirade ab, »dass Sie mit mir und meinen Leuten uneingeschränkt
zusammenarbeiten. Sonst knicken Sie mal gleich Ihre Dauerkarte.«
Ich habe keine
Dauerkarte, versetzte Katinka lautlos.
»Selbstverständlich«,
antwortete sie.
»Dann ist es ja
gut«, sagte Kohlschwab.
Sie stellte ihn
sich vor, schwergewichtig, Biertrinkerfigur, wie er auf seinem Bürostuhl thronte
und die Backen aufblies wie Satchmo. Kohlschwab galt als regelmäßiger Gast bei den
Konzerten der Bamberger Symphoniker. Spendabel als Pate für neue Kinosessel und
anderen kulturellen Kram. Befreundet mit der High Society Bambergs: Uni, Stadtrat,
Anwälte, Finanzfritzen, Ärzte.
»Wiederhören«,
sagte Katinka und legte auf.
Sie schaltete die Kaffeemaschine
aus, zog sich ein Fleece über und verließ die Wohnung.
Laufen, um durchzublicken.
Wäre sie heute Morgen losgejoggt, anstatt sich aufs Fahrrad zu schwingen, wäre sie
der Misere entkommen. Fast war es zu dämlich, um wahr zu sein. Entschlossen schritt
Katinka durch die Lange Straße und überquerte die Obere Rathausbrücke. Es war fast
elf am Vormittag – beste Touristenzeit. Ungeduldig drängte Katinka sich durch die
Menschenmenge. Neben dem UNESCO-Welterbe, dem ganzen Salbader von Fränkischem Rom
und diversen kulturellen Höhepunkten, warb nun auch noch die Landesgartenschau um
Gäste. Unter dem Torbogen hatte sich eine Besuchergruppe um einen Englisch sprechenden
Führer geschart. Um die Hälse der Touristen baumelten Namensschildchen. Damit man
sie zurückbringen konnte, wenn sie verloren gingen. Ein Namensschildchen, soweit
kam es noch.
Sie schlängelte
sich durch die Gruppe und machte, dass sie in weniger weltbekannte Bamberger Sträßchen
kam. Hier begegnete sie am Sonntag Vormittag allenfalls ein paar Kirchgängern.
Die Concordiastraße
war nun nicht berühmt. Zumindest nicht unter Touristen. Allerdings bisweilen unter
Leuten, die auf dem Trip waren. Katinka trat durch das breite Tor in den Innenhof
ihres Traumhauses. Die Briefkästen der Mieter hingen windschief an der Wand. Fahrräder,
von denen einige seit Jahren nicht mehr bewegt worden sein konnten, rosteten still
vor sich hin. Zwischen den uralten Kopfsteinen spross allerlei Kraut.
»Haben Sie schon
unterschrieben?«, tönte Dante Wischnewski ihr aus dem Innenhof entgegen.
»Sagen Sie
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