Rosenfolter
Gang.
»Kohlschwab hat
mich angerufen.«
»Ich habe ihm gesagt, er soll Luft ablassen«, grinste Hardo. »Besser, du
hast die Leiche gefunden als ein Security-Futzi kurz vor der Rente, der gleich noch
draufkotzt.«
»Hardo!«
»Ist doch wahr.«
Er warf sich auf seinen Bürostuhl, der unter seinem Gewicht quietschte, und begann,
Papiere auf seinem Schreibtisch hin- und herzuschieben. »Das hier wird Fleißarbeit.
Ganz klar. Die Soko ›Rose‹ tritt in einer Stunde zusammen. Thema Nummer eins: Mandantschaft
von Max Walters auseinandernehmen. Kerschensteiner und ein paar andere sind dran.
Thema Nummer zwei: Wege rekonstruieren. Hier wird’s haarig. In Walters Adern war
kein Tropfen Blut mehr, als er im Fischpass abgelegt wurde. Er ist anscheinend nach
innen verblutet. Der Rechtsmediziner steckt mitten in der Arbeit, aber er sagt,
Walters war definitiv tot, als er auf das Gelände gebracht wurde.«
»Diese Behauptung
hilft nicht wirklich.«
»Nein, klar«, ein
anerkennendes Glimmen spukte durch Hardos Blick, »aber er ist anderswo getötet und
später auf das ERBA-Gelände gebracht worden.«
»Todeszeitpunkt?«
»Zwischen Mitternacht
und zwei Uhr morgens.«
»Wann gingen die
Folterungen los?« Katinka spulte Frage um Frage ab. Ihre Art, sich wieder auf Linie
zu bringen und das Nervenflattern abzustellen.
»Ungefähr 24 Stunden
früher.«
»Was ist mit seinen
letzten Lebensstunden vor der Folterung?«
»Steht auf unserer
Agenda. Bis jetzt nichts Spezifisches.«
Sabine kam mit
dem Essen zurück: drei dampfende Teller auf einem Tablett. Sie zwinkerte Katinka
zu. »Ich bin drin«, raunte sie, als sie ihr eine Portion hinstellte. »In der Soko.«
»Sieht ja ganz
appetitlich aus.« Katinka zeigte Sabine ihren nach oben gerichteten Daumen, bevor
sie sich auf ihre Portion stürzte. Sie hatte tatsächlich einen Mordshunger. Und
Essen war etwas Normales. Etwas, das sich nicht vermeiden ließ. Sogar wenn man kurz
zuvor eine Leiche entdeckt hatte.
»Sofern jemand
vernünftiges Besteck auftreibt.« Hardo schleuderte seine Stäbchen in den Papierkorb.
»Wir haben deutliche
Schleifspuren. Sie ziehen sich vom oberen Ende der Pyramidenwiese bis zu der Stelle,
wo du Walters gefunden hast, Katinka«, sagte Sabine, ohne auf den Einwand ihres
Vorgesetzten zu achten, und spachtelte los. »Lecker.«
Knurrend hievte
Hardo sich hoch und angelte Gabel und Löffel aus einer Schublade bei der Kaffeemaschine.
Katinka stellte
sich das Gelände vor. Der Mörder konnte mit dem Kanadier und der Leiche an Bord
ähnlich wie sie an der Spitze angelandet sein, hatte die Leiche ein Stück getragen,
sie schließlich weitergeschleift, weil sie ihm zu schwer wurde.
»Gibt es verwertbare
Spuren aus dem Boot?«, erkundigte sie sich.
»Nein. Keine Fingerabdrücke
außer deinen. Die hatten wir schon im System.« Hardo klopfte auf seinen Laptop.
Katinka grinste
schief. Dass ihre Fingerabdrücke im Kontext früherer Fälle bei den Behörden gespeichert
worden waren, ließ sich nun nicht mehr ändern.
»Sie haben ihn
gefoltert«, sagte Sabine. »Ihn gezwungen, Glasscherben zu schlucken. Versucht, ihn
in seinem eigenen Urin zu ertränken. Der Rechtsmediziner …«
Katinka hob die
Hand. »Gnade. Ich hatte heute noch kein Frühstück.«
»Und jetzt dieser
chinesische Vogelschiss!« Hardo hatte seinen Teller geleert. »Thema Nummer drei,
nur um das abzuschließen: die Leiche selbst. Hier gibt es wohl viel zu entdecken,
was uns die Mediziner dann in einem orakelhaften Bericht zumuten. Wir müssen warten.«
»Es gibt weitere
Themen«, sagte Katinka. »Die Rosenkissen und die langstielige Rose auf Walters’
Körper. Vielleicht ein Hinweis, dass es letztlich um Liebe geht. Eifersucht, Untreue,
was weiß ich. Dann die Symbolik: Das Ohr, der Finger …«
»Et cetera,
et cetera«, sagte Hardo. »Keine Erkenntnisse bisher. Wir
wissen, dass es drei verschiedene Menschen gibt, die jetzt verstümmelt durch die
Weltgeschichte laufen. Was diese Rosenkissen betrifft, sind wir auch nicht schlauer.
Sämtliche Gärtnereien und Floristen in Stadt und Landkreis sind durchgecheckt worden.
Ohne Ergebnisse. Letzten Endes kann jeder mit einem Händchen für Grünzeug so was
herstellen. Im Internet schreibt dieser Wischnewski was von einer verborgenen Symbolik.
Wo hat er denn den Blödsinn her?«
»Ich glaube, er
wird von höherer Stelle dazu genötigt, eine Horrorvision zu verbreiten. Nach dem
Motto, jeder dritte Gartenschaubesucher bekommt ein Ohr abgeschnitten.
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