Rosenfolter
hier war nicht wahr. Es war unglaublich skurril. Sie beneidete
Dante um seine Fähigkeit, Komisches so geschickt in Worte zu packen, dass man nicht
wusste, ob man lachen oder weinen sollte.
»Gucken Sie mal!«
Emma Theiss hielt Katinka die Tasche hin.
Katinka kippte
den Inhalt neben sich auf das Sofa. Ein schickes Notizbuch mit silbernem Drehbleistift,
eine elegante Damenbörse, ein gebügeltes Taschentuch mit Initialen. Sie wollte nicht
daran denken, wie es in ihrem Rucksack aussah. Aber immerhin befand sich ein Handy
darin.
»Ist das Handy
eingeschaltet?«
»Es ist immer eingeschaltet.
Es ist sowas wie … ein Draht hinaus in die Welt, verstehen Sie?«
Katinka verstand
vor allem eins: Linda Roose war einsam. Sie hatte eine treue Freundin, aber im tiefen
Innern fühlte sie sich verlassen. Ein Handy spielte den Tröster.
»Ja, aber wir haben
die Telekom angerufen, und das Handy ist jetzt gesperrt. Damit niemand damit telefoniert.«
»Nun gut.« Katinka
sah von einer zur anderen. »Was kann ich jetzt tun?«
»Die Dame bei der
Telekom meinte«, sagte Linda Roose, »man könnte das Handy wieder entsperren. Falls
ich es doch noch finde.«
»Haben Sie versucht,
das Handy anzurufen, bevor die SIM-Karte gesperrt wurde?«
Die beiden sahen
einander verständnislos an.
Katinka seufzte
leise. Handy geklaut, SIM-Karte rausgenommen, Handy auf dem Flohmarkt verkauft,
Kohle eingestrichen. Sehr simpel.
»Ich dachte nur,
ich habe ein paar Fotos drauf. Wegen der Fotos hätte ich es gerne zurück. Aber …«
»Darf ich in Ihre
Börse schauen?«
»Nur zu.«
Es lagen 500 Euro
drin. In 100-Euro-Scheinen. Ein Fünfer und Kleingeld.
»Warum klaut jemand
das Handy und verschmäht die 500 Euro?«, fragte Katinka.
»Vielleicht war
keine Zeit!«
Quatsch mit Soße.
Unruhig fuhr Katinka sich über die Stirn. Wieder fühlte sie feine Schweißtröpfchen
auf ihrem Gesicht.
»Stand die Tasche
im Klinikum offen herum?«
»Natürlich nicht.«
Emma Theiss winkte ab. »Aber es ging alles so schnell. Als ich Linda fand, lag sie
hier, neben ihr die Tasche. Dann habe ich die Polizei und den Krankenwagen gerufen,
sie haben Linda ins Klinikum gebracht, und als ich sie besuchen ging, habe ich ihr
die Tasche mitgebracht, zusätzlich zu Zahnbürste und Schlafanzug.«
»Haben Sie vorher
nachgeschaut, ob das Handy drin war, als Sie die Tasche im Klinikum ablieferten?«
Emma Theiss spitzte
die Lippen. »Ach so, Sie meinen … nein, habe ich nicht. Ich habe überhaupt nicht
in die Tasche reingeschaut.« Sie schien sich verteidigen zu wollen.
Hier sitze ich
mit zwei alten Ladys am Teetisch und lasse mich rühren von Linda Rooses traurigen
Augen, wenn sie von ihrem Handy spricht, dachte Katinka. Was ist das jetzt für eine
neue Masche?
»Es war einfach seltsam«, murmelte Linda. »Ich ging durch alle Räume. Hatte
das Gefühl, da ist jemand.« Sie senkte die Stimme. »Das bleibt unter uns, Frau Palfy,
ja?«
»Was denn?«
»Was ich Ihnen
jetzt sage. Ich habe nämlich manchmal das Gefühl, dass Karl hier ist. Mein verstorbener
Mann. Dass er … sich hier aufhält, durchs Haus streift.«
»Das passiert uns
Witwen oft«, sagte Emma Theiss. »Denken Sie nicht, wir spinnen.«
»Schon gut. Aber
diesmal war Ihr Gefühl anders?«
Linda Roose klammerte
sich an Katinkas Verständnis. »Diesmal war es ganz anders. Ich spürte einen Luftzug.
Fühlte mich alarmiert. Ging noch einmal durch alle Zimmer, dann trat ich auf den
Treppenabsatz, nahm diese Tasche, legte die Hand auf das Treppengeländer …«
»Frau Roose, erinnern
Sie sich, ob Sie in das kleine Bibliothekszimmer hineinsahen?«, fragte Katinka.
Die alte Frau konzentrierte
sich. Sie schloss die Augen für einen Moment.
»Nein. Ich habe
nicht hineingesehen. Ich stand nur im Schlafzimmer.«
»Aber da bleibt
ein Winkel«, bemerkte Emma Theiss und griff nach der gesunden Hand ihrer Freundin.
»Ich weiß. Ich
muss da was machen lassen. Dieses tote Eck gefällt mir gar nicht.«
»Haben Sie nicht
hineingesehen, weil …«
»Weil ich vielleicht
so ein dummes Gefühl hatte, das dort jemand lauert? Mag sein, Frau Palfy. Ich hatte
Angst. Keine schlimme Angst, aber mehr als ein dummes Gefühl.«
»Eine Vorahnung«,
hauchte Emma Theiss.
Das wurde Katinka
nun wahrhaftig zu gefühlsduselig. Was ihr vorschwebte, war ein Szenario, bei dem
der Einbrecher ausschließlich auf das Handy aus gewesen war. Als ihm klar wurde,
dass Linda im Begriff war, ihre schicke Tasche mitsamt dem Handy auf ihren
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