Rosenfolter
Dokumente, die die Bohnstett zusammen mit der Box aus dem
Müll gefischt hat.«
»Ach so?« Sabine
sah auf. »Und?«
»Massenweise Abdrücke
von Feli Bohnstett. Außerdem die von ihrer Tochter. Dann ein unbekanntes Set. Und
ein bekanntes.«
»Shit, Mann, warum
sagt mir das keiner? Wer ist der Bekannte?« Sabine löffelte ihr Joghurt in einem
solchen Tempo, dass feine, weiße Spritzer ihr Uniformhemd sprenkelten. Allmählich
lief ihr wirklich die Galle über.
»Udo Jollet. Komischer
Name, oder? Ich glaubte zuerst, der müsste französisch sein, aber Bley spricht ihn
deutsch aus.«
»Jollet?« Sabine
starrte den Praktikanten an.
»Kennen Sie ihn?«
»Lukas, ›kennen‹
im Polizeidienst ist ein großes Wort. Ich habe ihn mal festgenommen. Er hat in einer
Disko Rabatz gemacht, Mädchen belästigt und einem Barkeeper drei Zähne ausgeschlagen.
Insofern ein alter Bekannter, ja.«
»Aber wie kommen
die Fingerabdrücke von einem Schläger auf die Papiere über Rosenzucht?«
»In der Tat eine
sehr gute Frage.«
Lukas strahlte.
Viel Lob bekommt er hier nicht zu hören, dachte Sabine. Genaugenommen gar keins.
Ich habe ihn auch noch nie gelobt.
»Haben die Herren
irgendetwas anderes über Jollet rausgefunden?«
»Er steht auf Manfred
Korins Gehaltsliste.«
Sabine sprang so
unvermittelt auf, dass ihr Stuhl umfiel. »Na, wartet! Beine in die Hand nehmen,
Lukas.« Sie stürmte aus der Kantine, den halb gegessenen Apfel schleuderte sie wutentbrannt
in den nächstbesten Abfalleimer. Der Praktikant machte, dass er hinterherkam.
Eine halbe Stunde
später hatte sie eine Grundsatzdiskussion mit ihren Kollegen ausgefochten. Von wegen
Weitergabe von ermittlunsgrelevanten Informationen an das ganze Team.
»Schon okay«, grantelte
Bley. »Wir haben die Unterlagen bei euch ins Büro rübergelegt.«
»Witzbold!«, schnappte
Sabine. »Überlege dir eine bessere Ausrede!«
»Wenn du ewig lang
in der Kantine abhängst«, unternahm Allenstein einen letzten Versuch.
»Lukas, würdest
du freundlicherweise die Papiere für den Chef und mich kopieren?«
Der Praktikant
griff nach den Blättern, die Bley ihm gönnerhaft hinhielt, und verschwand auf den
Gang.
Zurück an ihrem Schreibtisch, ging Sabine die Resultate des Fingerabdruckvergleiches
durch. Vier Personen hatten die Zettel in der Hand gehabt. Feli Bohnstett, ihre
Tochter, ein Unbekannter, und eben Jollet. Ein Schlägertyp, der sich mit Rosenzucht
befasste? Völlig abwegig. Sabine spürte, wie Schweiß ihren Rücken hinunterrann.
Hier befand sich die Sollbruchstelle. Wenn sie dieses Rätsel knackten, waren sie
auf der richtigen Spur. Kein Zweifel. Ob man es Intuition nannte oder erste Anflüge
eines Erfahrungswissens … Sabine war es egal. Sie überprüfte alles, was sie zu Jollet
fand. Er bekam ein regelmäßiges, gutes Gehalt mit gelegentlichen Zuschlägen, und
zwar von niemand anderem als Manfred Korin. Während ihr Ärger über Bley und Allenstein
allmählich verrauchte, besah sie sich Jollets Foto. Ein kantiges, ausdrucksloses
Gesicht. Eng stehende Augen, dünne Brauen, eine breite Nase. Die klassische Schlägertype.
Man sollte nicht vom Äußeren auf das Innere schließen, aber manchmal gab es erstaunliche
Koinzidenzen. Hatte sie nicht vor ein paar Tagen einen Bericht über Physiognomie
gelesen? Einer Studie zufolge konnte man die Brutalität eines Mannes tatsächlich
an den Gesichtsproportionen ablesen. Interessanterweise schien das bei Männern,
nicht aber bei Frauen zu funktionieren. Sie schnaubte. Hinter ihr scharrte Lukas
mit den Füßen. Zu dumm, sie erinnerte sich nicht mehr an die Relationen zwischen
Stirn, Augen, Mund, die in dem Artikel angegeben waren. Sonst hätte sie sich flugs
die Fotos von Bley und Allenstein zwecks Gesichtsanalyse auf den Bildschirm geladen.
Wahrscheinlich war es aber reiner Blödsinn. Sie klickte weiter durch die Register.
Jollets Akte nahm einiges an Megabytes in ihrem Computer ein. Korin. Sein Name stand
auf Kohlschwabs Liste. Sein Gärtner wurde verstümmelt, seine Villa Objekt der Begierde
für Einbrecher. Und einer seiner Angestellten beschäftigte sich mit Rosenzucht.
Sie rief Hardo
an. Er nahm nicht ab.
»Mist!«
»Was?«, fragte
Lukas nervös.
»Das galt nicht
dir«, sagte Sabine.
»Kann ich sonst
was tun?«
Sabine sah auf
die Uhr. Kurz vor sechs.
»Hast du Lust,
mit mir einen Besuch zu machen?«
Die Augen des Praktikanten
leuchteten auf. »Sie meinen, Ermittlungsarbeit in der wirklichen Welt?«
»Ja, keine
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