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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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seinen Gästen einen
leistungsstarken WLAN-Anschluss zu bieten.
    Sie
schaute sich die Preisliste an und rechnete die Kosten zusammen.
Inklusive Stromversorgung, Duschmarke und Internetzugang würde
sie für jede Nacht knapp zwanzig Euro zahlen müssen.
    Anna
wählte die angegebene Nummer und reservierte für drei Nächte.
    Sie
warf Unterwäsche, T-Shirts, zwei Jeans, einen Pullover, den
Waschbeutel, ihre Laufklamotten, die Nikes, ein Paar Chucks,
Ausweis, Führerschein und Kreditkarte in ihre Reisetasche und
stellte sie neben die Wohnungstür.
    Die
Akte Rosenherz war in neun graue Kartons verpackt. Jeder Karton
enthielt zwischen drei und sechs verschieden dicke Schnellhefter,
die von einer Kordel zusammengehalten wurden. Insgesamt waren es
über zehntausend Seiten.
    Sie
nahm die ersten drei Kartons, trug sie hinunter zum Parkplatz und
schloss den Kofferraum ihres Wagens auf. Es war ein sechs Jahre
alter Mazda MX-5 mit 140 PS. Er hatte eine moosgrüne Lackierung,
die, je nachdem wie das Sonnenlicht darauf fiel, manchmal
heller, manchmal fast schwarz wirkte.
    Die
Akte und der Mazda gehörten zusammen.

    Auf
den Fall Rosenherz war Anna gestoßen, als sie nach einem Thema
für die Reportage gesucht hatte, mit der sie sich bei der
Henri-Nannen-Schule bewerben wollte. Jedenfalls war das die Version,
die sie dem freundlichen Archivar des Hessischen Hauptstaatsarchivs
und später auch ihrer Schulleiterin erzählt hatte.
    Sie
war nach Wiesbaden gefahren, hatte sich in den Lesesaal gesetzt
und darauf gewartet, dass man ihr die Akte brachte. Sie rechnete
damit, einen dicken Ordner vorgelegt zu bekommen, den sie durchsehen
wollte, um am Abend mit genügend Material für ihren Bewerbungstext
nach Hamburg zurückzufahren. Stattdessen wurde ein Aktenwagen neben
ihren Arbeitsplatz gerollt, auf dem die neun grauen Kartons standen.
Sie öffnete den ersten, löste die Kordel und begann, in dem
Schnellhefter zu blättern, der die handschriftliche Bezeichnung
«Band I/I» trug. Den Umschlag mit den Tatort-Fotos legte sie zur
Seite. Stattdessen las sie den Obduktionsbericht, die ersten
Protokolle der Zeugenvernehmungen und die Anmerkungen der Ermittler,
die die Alibis von möglichen Verdächtigen überprüft hatten.
    Nach
einer Stunde hatte Anna Buchwald alles vergessen, was um sie herum
vorging. Sie hatte Feuer gefangen. Sie hatte das Gefühl, mit dieser
Akte einen unheimlichen, einen schwarzen Schatz geborgen zu haben.
Karin Rosenherz war tot. Aber in den Aussagen ihrer Freunde und
Verwandten, ihrer Kolleginnen und Freier schien sie wieder lebendig
zu werden. Mit jeder neuen Information wurde Annas Interesse an
dieser Frau größer.
    Als
sie merkte, dass jemand neben ihr stand, schaute Anna auf. Alle
anderen Arbeitsplätze waren verlassen. Es war bereits halb sechs.
Sie, die es sonst kaum länger als eine Stunde in einem
geschlossenen Raum aushielt, hatte acht Stunden im Lesesaal
gesessen, ohne einmal auf die Uhr zu schauen, ohne etwas zu essen
oder zu trinken, ohne auch nur einmal zur Toilette zu gehen. Die
Aufseherin machte sie darauf aufmerksam, dass das Archiv jetzt
schloss, dass sie aber alles so liegen lassen und morgen früh
wiederkommen könne.
    Anna
ging zum Bahnhof und fuhr zurück nach Hamburg.
    Am
übernächsten Tag rief sie in Wiesbaden an und sagte, dass sie
leider verhindert sei. Sie habe sich bei einem Fahrradunfall
beide Beine gebrochen, ob man ihr die Akten nicht nach Hause
schicken könne. Nein, sagte der freundliche Archivar, so leid
es ihm tue, die Bestände dürften prinzipiell nur im Lesesaal
eingesehen werden. Sie redete auf ihn ein, versuchte ihm
klarzumachen, dass ihre Bewerbungsarbeit, ihre Aufnahme auf die
Journalistenschule, ihre gesamte berufliche Zukunft davon abhänge.
    Sie
bettelte.
    Sie
spielte die Verzweifelte.
    Als
sie anfing zu weinen, kapitulierte er. «Hören Sie auf! Was
soll's», sagte er schließlich. «Jetzt hat sich so lange niemand
für die Akte interessiert ... Aber Sie stehen
mir dafür gerade, das Material vollständig und unversehrt wieder
zurückzuschicken. Sie zahlen
die Versicherung und die Transportkosten. Und zwar im Voraus!
Und Sie schreiben gefälligst eine so gute Arbeit, dass Sie auf
dieser verdammten Schule angenommen werden.»
    Sie
sagte zu allem ja. Sie bedankte sich. Sie überwies den Betrag noch
am selben Tag.
    Seitdem
hatte sie die Akten. Es hatte nie wieder jemand danach gefragt. Das
Hessische Hauptstaatsarchiv hatte Anna Buchwald und die Akte
Rosenherz

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