Rosenherz-berbKopie
Zettel und gab ihn der Schulleiterin.
Am
nächsten Morgen begegnete ihm Sabato auf dem Gang des Weißen
Hauses. Sofort bekam Marthaler ein schlechtes Gewissen. Er hob die
Hände: «Entschuldige, Carlos! Ich weiß, ich hätte euch längst
Bescheid geben müssen.»
Sabato
runzelte die Stirn, ohne etwas zu sagen. Er sah seinen Kollegen
an und wartete. Also, fragte sein Blick, was hast du zu deiner
Entschuldigung vorzutragen?
Marthaler
war am Nachmittag zuvor in der Klinik gewesen. Durch eine
Scheibe hatte man ihn in den Raum schauen lassen, in dem Tereza lag.
Sie war an unzählige Schläuche und Geräte angeschlossen. Er hatte
die Hand an die Scheibe gelegt und lange so dagestanden. Später war
Dr. Schaper zu ihm gekommen und hatte ihn in sein Büro gebeten. Er
hatte Marthaler einige Papierbögen gezeigt und ihm die Diagramme
und Kurven erläutert. Er hatte ihm etwas von Terezas Blutwerten und
der Herzfrequenz des Kindes erzählt. Marthaler hatte genickt,
ohne etwas zu verstehen. Er hatte sich bemüht, war aber zu
benommen. Es bestehe der Verdacht, dass Terezas Körper mit einem
Schock auf den Blutverlust reagiere, hatte Dr. Schaper gesagt, und
dass es dadurch zum Versagen lebenswichtiger Organe kommen könne.
Eines hatte Marthaler begriffen: Man musste mit allem, auch mit
dem Schlimmsten, rechnen.
«Wie
geht es Ihren Windpocken?», hatte Schwester Gerlinde gefragt,
als er ihr auf dem Gang begegnet war.
«Ich
weiß nicht, es ist nicht schlimmer geworden. Ich habe kein Fieber.»
«Aber
Sie waren auch nicht beim Arzt?»
«Nein.»
Sie
hatte den Kopf geschüttelt und ihn noch einmal gebeten, das
Hemd aufzuknöpfen.
«Sieht
so aus, als hätte ich mich geirrt. Es sind wohl doch nur ein paar
Hitzepickel.»
Niedergeschlagen
hatte er die Klinik verlassen. Er war in den Großen Hasenpfad
gefahren, hatte seine Sportkleidung angezogen und war zwei Stunden
durch den Wald gelaufen. Weder zu Hause angekommen, war seine
Stimmung nicht besser geworden. Er hatte eine Flasche Wein geöffnet
und dann noch eine. Irgendwann hatte ihn der Alkohol so müde
gemacht, dass er eingeschlafen war.
«Ich
kann dir noch immer nicht sagen, wie es Tereza geht. Es kann besser
werden, aber auch noch schlimmer», sagte Marthaler jetzt zu Sabato.
«Immerhin»,
sagte der Kriminaltechniker, «für uns ist auch das eine Neuigkeit.
Wenigstens das hättest du uns erzählen können. Um ehrlich zu
sein, Elena hat dich verflucht.»
«Auch
wenn das keine Rechtfertigung ist: Ich war zu deprimiert, um zu
telefonieren. Und es ist nicht angenehm, immer nur erzählen zu
können, dass man nichts zu erzählen hat, weil man nichts weiß.»
«Willst
du heute Abend auf ein Glas zu uns kommen?», fragte Sabato.
«Danke.
Im Moment ist es für mich besser, allein zu sein. Zu arbeiten oder
allein zu sein. Außerdem trinke ich sowieso schon zu viel. Ich muss
aufpassen ... Kannst du Elena für mich um Entschuldigung bitten?»
«Schon
geschehen!», sagte eine Frauenstimme.
Marthaler
drehte sich um. Elena stand in der Eingangstür des Weißen Hauses
und lächelte ihn an. Sie trug mit beiden Händen eine abgedeckte
Pfanne. «Außerdem hat Carlos gelogen. Er war es, der dich
verflucht hat. Ich habe dich in Schutz genommen.»
«Dann
hast du gehört, was wir gerade gesagt haben?»
Sie
nickte. «Niemand macht dir Vorwürfe», sagte sie. «Da du uns ja
keine Gesellschaft leisten willst...» Sie reichte Marthaler
die Pfanne. «Hier sind ein paar Reste von gestern. Und da ich
sowieso auf dem Weg in die Stadt war ...»
Marthaler
hob den Deckel. Darunter befand sich eine riesige, vollkommen
unberührte Tortilla. «Von wegen Reste. Jetzt hast du gelogen.»
«Egal»,
sagte sie. «Ich hab es eilig. Ich hab einen Termin beim Friseur.»
Sie
warf ihrem Mann einen Handkuss zu und war im nächsten Moment
bereits verschwunden.
Sabato
wartete, bis sich die Tür hinter Elena geschlossen hatte, dann
wandte er sich an Marthaler. «Sag mal, Robert...» Er trat von
einem Bein aufs andere, ohne seinen Satz zu beenden.
«Carlos,
bitte! Ich hab es ebenfalls eilig! Sag, was du sagen willst!»
«Wir
sind doch Freunde, oder?» «Carlos!»
«Meinst
du, ich ...? Nein, verdammt, ich trau mich nicht.»
Endlich
begriff Marthaler. «Du hast Hunger, nicht wahr! Du hast
wahrscheinlich heute Morgen schon eine Ladung Rühreier mit Chorizos
verputzt, aber hast schon wieder Hunger, stimmt's?»
Sabato
nickte so verschämt wie Obelix nach dem dritten Wildschwein.
«Also
stell deine Frage, verdammt
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