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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vergessen.
    Sie
brauchte eine Woche, um die zehntausend Seiten einmal
querzulesen. Sie brauchte eine weitere Woche, um ein Dossier mit den
wichtigsten Fakten anzufertigen. Dann hatte sie noch vierzehn Tage
Zeit, um ihre Arbeit zu schreiben. Am Tag, als die Bewerbungsfrist
ablief, betrat sie um siebzehn Uhr fünfundfünzig das Postamt. Die
Quittung des Einschreibens legte sie zu Hause unter ihre
Schreibtischunterlage.
    Anna
war unzufrieden. Sie war der toten Frau nicht gerecht geworden. Sie
hatte das Opfer eines Mordes für ihre Zwecke ausgenutzt. Das
Gefühl, erst ganz am Anfang zu stehen, ließ sich nicht
abschütteln. Sie hätte viel mehr Zeit gebraucht, um sich der
Wahrheit zu nähern.
    Nach
vierzehn Tagen erhielt sie einen Anruf der Henri-Nannen-Schule. Eine
Stunde später saß sie im Büro von Ingeborg Kalz.
    «Was
ist das? Was haben Sie da geschrieben?», fragte die Schulleiterin.
    Anna
Buchwald zuckte verzagt mit den Schultern. Sie wusste keine Antwort.
    «Eine
Reportage ist es jedenfalls nicht. Ein Feuilleton auch nicht. Ist es
ein Ermittlungsbericht, ein Krimi, die Liebeserklärung an eine
tote Frau? Oder eine Abrechnung mit ihr?»
    «Ich
... ich weiß nicht...», sagte Anna.
    «Wenn
Sie es nicht wissen, wer dann? Ich habe nicht den Schimmer einer
Ahnung, was Sie da geschrieben haben. Ich weiß nur eins: Es ist
gekonnt. Ach was, es ist einer der besten Texte, die hier je
eingereicht wurden. Allerdings habe ich einen Verdacht...»
    Anna
schaute die Schulleiterin fragend an.
    «Ich
habe den Verdacht, dass Sie etwas getan haben, was kein Journalist,
der in dieser Scheißbranche nach ganz oben will, tun darf: Sie
haben mit Leidenschaft geschrieben. Sie sind nicht unbeteiligt
geblieben. Sie haben sich anrühren lassen.»
    «Was
ist daran falsch?»
    «Alles,
mein Kind. Alles! Jedenfalls, wenn es nach der Lehrmeinung geht. Sie
müssen eintauchen in ein Thema und genauso unberührt wieder daraus
auftauchen. Das ist es, was man von Ihnen verlangen wird. Nur so
werden Sie in diesem Job überleben. Anteilnahme und Leidenschaft
dürfen bei einer Reporterin nur simuliert sein.»
    Anna
nickte.
    «Dass
Sie gegen diesen Grundsatz verstoßen haben, gefällt mir. Ich habe
eine Bitte. Könnten Sie sich vorstellen, Ihren Text zur
Veröffentlichung freizugeben? Ich möchte ihn gerne einem Freund
beim Stern zeigen.
Würden Sie mir das erlauben?»
    «Ja,
ich meine, warum nicht.»
    Am
übernächsten Tag kam der Anruf des Stern-Redak teurs.
Der Mann erging sich in Lobeshymnen. Sie sei ein Naturtalent. Man
vergesse beim Lesen, dass der Mord bereits vierzig Jahre
zurückliege. Thrilling sei die Story, breathtaking. Ein seltener
Glücksfall. «Kurz und gut; wir würden Ihre Geschichte gerne
bringen.»
    «Ja»,
sagte Anna.
    «Ich
denke, wir machen einen Zweiteiler draus. Ich kann Ihnen fünftausend
Euro bieten. Einverstanden?»
    Anna
war zu verdutzt, um zu antworten. Sie hatte zwar schon als
Oberschülerin gelegentlich kleinere Beiträge für den Fränkischen
Tag geschrieben,
dabei aber nie mehr als fünfzig Mark verdient.
    «Fünftausend?»,
fragte sie.
    «Hören
Sie, Sie sind eine Anfängerin, das dürfen Sie nicht vergessen.
Außerdem sitzt bei uns das Geld auch nicht mehr so locker wie noch
Vorjahren.»
    Er
wartete, dass sie reagierte, aber Anna schwieg.
    «In
Herrgottsnamen, also gut: zehntausend», sagte er.
    «Fünfzehn»,
sagte Anna. «Und ich brauche das Geld sofort!»
    Jetzt
war es der Redakteur, dem es die Sprache verschlug. Schließlich
lachte er: «Na, Sie sind mir ja eine, also wirklich! Sie scheinen
Ihren Wert ja zu kennen. Gut, das gefällt mir. Abgemacht:
fünfzehntausend.»

Sie
ließ sich das Geld auf ihr Girokonto überweisen, dann fuhr sie zu
dem Mazda-Händler in der Steilshooper Straße, redete eine Stunde
lang auf den Verkäufer ein, gab ihren alten Golf in Zahlung und
bekam den moosgrünen MX-5, an dem sie seit Wochen mit sehnsüchtigen
Blicken vorbeigelaufen war, für 5500 Euro und damit weit unter
Marktwert.
    Als
ihr Text auch nach sechs Wochen nicht erschienen war, rief sie den
Redakteur an. Sie fragte, ob man ihren Beitrag jetzt doch nicht mehr
so gut finde.
    «Nein,
nein, ein tolles Stück. Und was das Beste ist: Man kann es gut
schieben.»
    Ihr
Artikel wurde in der nächsten Woche nicht gedruckt und auch nicht
in der übernächsten. Immer war ein aktuelles Ereignis
dazwischengekommen. Mal waren kurz hintereinander zwei
Flugzeuge abgestürzt, dann war ein Anschlag auf ein Hotel in Bali
verübt worden, und

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