Rosenherz-berbKopie
nachdem man so mit ihnen umgesprungen ist.»
«Wie
alt waren die drei damals?», fragte Marthaler.
«Um
die zwanzig», antwortete Anna.
«Dann
sind sie heute knapp sechzig Jahre alt. Wir können sie ausfindig
machen. Wenn sie noch in Deutschland leben, ist das kein Problem.
Sonst müssen wir die italienischen Kollegen um Hilfe bitten.»
«Einer
ist vor Jahren bei einem Skiunfall gestorben. Der
zweite
ist in den sechziger Jahren in die USA gegangen und hat irgendwo in
Colorado ein kleines Lokal aufgemacht. Der dritte heißt Fausto
Albanelli. Er lebt immer noch hier.»
Marthaler
schaute Anna erstaunt an: «Das hast du ohne polizeiliche Hilfe
herausgefunden?»
Sie
zuckte mit den Schultern. «He, ich bin nicht blöd, Mann. Ich hab
einfach ein bisschen telefoniert.»
«Gut,
dann machen wir eine EMA!»
«Eine
was?»
«Eine
Anfrage beim Einwohnermeldeamt. Um herauszufinden, wo dieser
Albanelli jetzt wohnt.»
Anna
grinste. Ihre Augen glänzten vor Stolz. «Er ist kein Kellner mehr;
er betreibt eine Fahrradwerkstatt in der Töngesgasse.»
«Nicht
schlecht», sagte Marthaler. «Du ... hast schon mit ihm gesprochen?»
«Ja,
ich habe ihn angerufen, als ich meine Geschichte über den Fall
geschrieben habe. Aber er wollte nicht mit mir reden.»
«Wir
werden es nochmal versuchen.»
Schweigend
räumten sie den Tisch ab. Anna ließ Marthaler alleine in der Küche
und ging wieder auf den Balkon. Als er die Spülmaschine eingeräumt
hatte, ging er ebenfalls nach draußen und setzte sich zu ihr. Er
hatte eine Flasche Wein und zwei Gläser mitgebracht.
«Du
hast nach Tereza gefragt. Sie ist schwer verletzt, aber ich möchte
nicht darüber reden. Deine Vermutung ist richtig: Es gibt einen
Hinweis, dass der Überfall im Stadtwald und der Mord an Karin
Rosenherz zusammenhängen. Kannst du nachschauen, ob der Name Bruno
Kürten in deiner Liste vorkommt?»
Anna
stand auf, um ihr MacBook zu holen. Sie schaltete es an und wartete.
Dann tippte sie den Namen ein. Sie schüttelte den Kopf. «Nein,
in der Akte gibt es keinen Mann, der so heißt. Wer ist das?»
«Ein
Krimineller, der kürzlich aus dem Gefängnis entlassen wurde.
Er wird obdachlos. Er behauptet zu wissen, wer die Tater aus dem Stadtwald
sind. Aus Angst ist er untergetaucht. Er hat einen Zettel
hinterlassen, auf dem das Wort steht.»
«Das
heißt, wir müssen ihn finden, um zu erfahren, was das eine mit dem
anderen zu tun hat.»
«Ja»,
sagte Marthaler. «Und um zu verhindern, dass ihm etwas zustößt.
Aber jetzt fang an mit deinem Bericht.»
Anna
hob ihr Weinglas, ohne zu trinken. «Wo soll ich beginnen?»
«Egal.
Erzähl einfach, was dir aufgefallen ist. Was war die Rosenherz für
ein Mensch? In welchen Kreisen hat sie verkehrt? Welche Spuren
gab es?»
Anna
nagte an ihrer Unterlippe. Sie überlegte lange, dann brach es aus
ihr heraus: «Sie war eine Schlampe. Sie muss auch andere Seiten
gehabt haben, aber sie war eine Schlampe. Sie war selbstsüchtig,
geizig und verlogen.»
Annas
Wangen waren gerötet. Als Marthaler sie erstaunt anschaute, schlug
sie die Augen nieder und fingerte eine Zigarette aus der
Packung, legte sie aber wieder beiseite. «Sie hatte ein Kind, um das
sie sich nicht gekümmert hat.»
«Sie
hatte ein Kind?»
«Ja.»
Anna
öffnete ihre Aktentasche und zog den Ordner mit ihrem Dossier
hervor. Sie klappte ihn auf und entnahm ihm die Kopie eines
Vernehmungsprotokolls.
«Direkt
nach dem Mord haben die Ermittler ihren Exmann befragt. Das hier ist
seine Aussage.»
Sie
hielt Marthaler das Papier hin. Es waren drei zusammengeheftete
DIN -A4 -Seiten,
die mit einer mechanischen Schreibmaschine getippt worden waren. Er
nahm sie und begann zu lesen.
Frankfurt/M.,
den 5. 8. 1966
Betr.:
Mord zum Nachteil der Prostituierten Karin Rosenherz, gesch.
Niebergall, geb.
9.
1933 in Bad Orb, zuletzt wohnhaft in Ffm., Kirchnerstr. 2, tot
aufgefunden am
8.
1966, gegen 18.00 Uhr in ihrer Wohnung. Zur Befragung auf dem
Präsidium erschienen ist Heinrich Niebergall, geb. 17. 5. 1931
in Duisburg, wohnhaft Dortmund, Magnolienweg 64.
Herr
N. gab an, Karin Rosenherz im Februar 1957 auf einer
Tanzveranstaltung in Bad Orb kennengelernt zu haben, wo er
beruflich zu tun hatte. Er sei zu jener Zeit als Reisender für
Spielautomaten unterwegs gewesen und habe häufig in Hotels
übernachtet. Er habe die Rosenherz in den kommenden Monaten mehrmals
getroffen, wenn er in Bad Orb oder der weiteren Umgebung zu
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