Rosenherz-berbKopie
Hirn des Kindes hat es nicht
gereicht. Heute Nacht sind seine Herztöne schwächer geworden.
Dann waren sie gar nicht mehr da ...»
Marthaler
schaute an Anna vorbei in den Himmel. Seine Augen waren mit Tränen
gefüllt. Er schüttelte heftig den Kopf.
«Dabei
haben wir schon nach Namen gesucht. Wir haben uns Kinderwagen
angeschaut. Wir waren manchmal so albern glücklich bei der
Vorstellung ...»
Seine
Stimme klang erstickt. Er nahm seine Tasse, hob sie ein paar
Zentimeter an, stellte sie aber sofort mit zitternder Hand wieder ab.
«Aber
Tereza wird leben! Was auch immer jetzt noch geschieht: Sie
sagen, dass sie leben wird. Seit sie das Kind ... geholt haben, geht
es ihr von Stunde zu Stunde besser. Es war zu viel ...»
In
den nächsten neunzig Minuten änderte sich Marthalers Stimmung
mehrfach. Auf die Freude folgte umgehend tiefe Trauer.
Anna
wusste, dass sie ihn lassen musste. Es gab keinen Trost. Ihre einzige
Aufgabe war es, da zu sein.
«Meinst
du, dass du Tereza bald besuchen kannst?»
Er
nickte heftig. In seinen Augen blitzte ein Fünkchen Glück auf.
«Ja», sagte er. «Sie sagen, in ein oder zwei Tagen könnte sie so
weit sein ... Aber ich habe Angst, was sein wird, wenn sie
erfährt...»
Anna
legte ihm eine Hand auf den Unterarm.
Einmal
ging er hinein und kam mit einer offenen Flasche Wein zurück. Sie
schüttelte den Kopf und nahm sie ihm aus der Hand. Er ließ es
widerstandslos geschehen.
«Du
hast genug getrunken letzte Nacht», sagte sie. «Tereza wird
dich brauchen. Und ich brauche dich auch.»
Er
sah sie irritiert an. Dann versank er wieder in stummes Brüten. Er
schien nicht einmal zu bemerken, dass jemand neben ihm saß.
«Kann
ich etwas für dich tun? Soll ich irgendwen benachrichtigen?»
Er
überlegte. «Ja, sei so gut. Ruf Carlos Sabato an. Seine Nummer ist
gespeichert. Sag ihm, was geschehen ist. Er soll die anderen
benachrichtigen. Er weiß dann schon, was zu tun ist.»
«Soll
ich ihm sagen, dass ich deine Cousine bin?»
«Ja»,
sagte Marhtaler. «Mach das.» Dann stand er entschlossen auf:
«Ich nehme ein Bad. Anschließend trinken wir einen starken Kaffee,
und du erzählst mir, warum du mich brauchst.»
«Mach
jetzt nicht schlapp, Alter», sagte Marthaler zu seinem Spiegelbild,
als er vor dem Waschbecken stand und sich abtrocknete. «Du
musst auf die Beine kommen.» Er schäumte sein Gesicht ein und
rasierte sich. Dann holte er Unterwäsche und Socken aus dem
Schrank. Während er eine frische Jeans anzog und das Hemd aus
der Verpackung nahm, das ihm Tereza vor zwei Wochen von einem
Einkaufsbummel mitgebracht hatte, hörte er Anna in der Wohnung
hantieren.
In
der Diele schaute er noch einmal in den Spiegel. Er nickte sich zu
und versuchte ein Lächeln. «Schon besser!», murmelte er.
Als
neben ihm das Telefon läutete, schrak Marthaler zusammen. Er
nahm ab und sagte seinen Namen. Am anderen Ende meldete sich eine
Frauenstimme. «City-Express, Moment,
ich stelle durch zu Herrn Grüter.»
Marthaler
war versucht aufzulegen, presste aber stattdessen den Hörer
noch fester an sein Ohr. Er ahnte, dass Grüter neue Informationen
verlangen würde, und machte sich bereit, dem Reporter eine
Abfuhr zu erteilen.
Doch
Arne Grüter war schneller. «Marthaler, was geht da vor? Wieso muss
ich aus dem Polizeibericht erfahren, was heute Morgen auf dem
Hauptfriedhof passiert ist? Haben Sie etwas mit der Sache zu tun?»
«Grüter,
ich weiß nicht, von was Sie reden, und ich bin nicht in der
Verfassung ...»
«Hören
Sie auf!», unterbrach ihn der Reporter. «Erzählen Sie mir keine
Märchen! Das können Sie mir nicht weismachen. Halten Sie sich
gefälligst an unsere Abmachung! Dass man die Leiche des kleinen
Bruno gefunden hat, ist eine Information, die Sie mir umgehend
hätten weitergeben müssen.»
Marthaler
war zu überrascht, um sofort zu antworten. Er hörte Grüter husten.
Dann meldete sich der Reporter wieder zu Wort. «Was ist, sind Sie
noch dran, Marthaler?»
«Ja
... ich ... Ich hatte keine Ahnung ... Ich bin noch nicht lange aus
der Klinik zurück. Und da Sie es ja sowieso erfahren werden,
kann ich es Ihnen auch mitteilen: Unser Kind ist letzte Nacht
gestorben.»
Marthaler
hörte das Klicken eines elektronischen Feuerzeuges, Grüter
inhalierte, dann ein erneutes Hüsteln. «Scheiße, Marthaler, das
tut mir leid. Sie wissen also wirklich nicht...»
«Erzählen
Sie mir, was passiert ist!»
«Kennen
Sie das Mausoleum Gans?»
«Sie
meinen diesen Urnentempel?»
«Genau
den!»,
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